Eine der beiden Fischarten hat auffällige rot-orange Flossen, die andere ist so klein, dass sie als Minifischart gilt. Beide Arten leben in Gewässern nördlich der brasilianischen Stadt Apuí, schreibt das Forschungsteam um Murilo Pastana vom Smithsonian National Museum of Natural History in einem Artikel, der nun im Fachjournal „Zoological Journal of the Linnean Society“ veröffentlicht wurde.
Weil der Regenwald in dieser Gegend besonders großflächig gerodet wird, seien die gerade erst entdeckten Fische unmittelbar vor dem Aussterben, so die Forscherinnen und Forscher. Besonders gefährdet ist demnach die farbenfrohere der beiden Arten: Poecilocharax callipterus. Denn ihr Verbreitungsgebiet beschränkt sich auf einen einzigen Bach mit nicht einmal vier Quadratkilometern Lebensraum.
Kleine Fische mit markanten Merkmalen
Genetische Untersuchungen bestätigten, dass die beiden Süßwasserarten miteinander verwandt sind: Beide gehören zur Familie der Crenuchidae, der Pracht- und Bodensalmler. Mit den beiden neu entdeckten Arten erhöht sich die Gesamtzahl der Crenuchidae auf fünf Arten. Die letzte neue Art dieser Familie wurde vor 57 Jahren entdeckt.
P. callipterus sei mit seinen leuchtend rot-orangefarbene Flossen und dem markanten dunklen Fleck direkt vor dem Schwanz sofort herausgestochen, so Pastana. Bei den männlichen Exemplaren der etwa 2,5 Zentimeter langen Fische ist die Färbung noch intensiver, zudem haben sie längere Rückenflossen als ihre weiblichen Artgenossinen. Die Fische bewohnen die Uferzonen eines „Schwarzwasserbaches“, der durch Tannine aus heruntergefallenen Blättern dunkel verfärbt ist.
Die zweite Art fanden die Forscherinnen und Forscher zwischen Baumwurzeln am Rande eines schlammigen Baches. Wegen des Fundortes bekam sie den Namen Poecilocharax rhizophilus: die Liebe (phil) zu Wurzeln (rhiz). Der Fisch ist bernsteingelb, die männlichen Exemplare haben zudem dunkle Streifen auf den Flossen. Das markanteste Merkmal des P. rhizophilus ist aber seine Körpergröße von nicht einmal zwei Zentimetern. Teile des Skeletts, die bei Pracht- und Bodensalmlern normalerweise aus Knochen sind, bestehen aus Knorpeln, wie eine Laboruntersuchung zeigte.
Forschungsteam will auf Regierung einwirken
„Es war spannend, die neuen Arten zu entdecken. Gleichzeitig sahen wir aber, dass der umliegende Wald brennt und riesige Bäume abtransportiert werden“, so Pastana. Der brasilianische Zoologe vergleicht die Fische mit Kunstwerken: Jede Art sei einzigartig und voller winziger Details. Sterbe eine Art aus, verschwinden alle diese Details, die über Millionen Jahre durch die Evolution entstanden sind.
Die im Regenwald gerodeten Flächen werden in Viehweiden umgewandelt. Für die Forscherinnen und Forscher war es wichtig, die beiden Fischarten rasch zu dokumentieren. Sie hoffen, mit ihrer Veröffentlichung auf die brasilianische Regierung einzuwirken, damit die gefährdeten Fischarten geschützt werden.
Weltweit größte Vielfalt an Fischarten
Das Ziel von Expeditionen, wie jener bei der die neuen Süßwasserarten entdeckten wurden, sei, „die noch unbekannten biologischen Schätze“ der vielen Wasserläufe des Madeira-Flusses zu finden, so Pastana. Das Becken des Madeira, ein Nebenfluss des Amazonas, hat laut einer Schätzung aus dem Jahr 2019 die weltweite größte Artenvielfalt von Fischen. Das Gebiet ist laut dem Forschungsteam auch deshalb besonders wichtig, weil sich dort momentan die Grenze befindet, ab der sich die Entwaldung nach Norden bewegt.
Die Region Apuí ist auf Platz zwei einer im Vorjahr veröffentlichten Liste jener brasilianischen Gemeinde mit den höchsten Abholzungsraten. Ironischerweise sind es gerade die neu gebauten Straßen, die Forscherinnen und Forschern den Zugang zu davor unerreichbar gewesenen Bächen, Teichen und Nebenflüssen des Amazonas erleichtern und damit erst die Entdeckung neuer Arten ermöglichen.