Corona Impfung Covid Impfstraße Wien
APA/HELMUT FOHRINGER
APA/HELMUT FOHRINGER

Falsche Annahmen senken Impfbereitschaft

Wie Ärztinnen und Ärzte zu den SARS-CoV-2-Impfungen stehen, beeinflusst auch die Bereitschaft der Bevölkerung, sich impfen zu lassen. Laut einer neuen Studie sind aber viele über die Meinung der Fachleute falsch informiert – und darunter leidet die allgemeine Impfbereitschaft.

Die schnelle Ausbreitung von Covid-19 auf dem ganzen Globus machte es nötig, schnell nach wirksamen Behandlungsmöglichkeiten und Impfungen zu suchen. Wegen der akuten Gefahr arbeiteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedlicher Sparten und Länder gemeinschaftlich an Lösungen. Das Ergebnis: Schon früh in der Pandemie gab es erste Erfolge und nach nur wenigen Monaten wurden die ersten Impfungen verabreicht.

Von Anfang an gab es aber auch Skeptikerinnen und Skeptiker, die an der Wirkung der Impfstoffe zweifelten. In der Berichterstattung der Medien kam es zu zahlreichen Diskussionen zwischen Befürworterinnen und Gegnern der Schutzimpfung. Beide Seiten – oft auch durch Ärztinnen und Ärzte vertreten – wurden dabei für eine möglichst ausgewogene Berichterstattung gleichermaßen beleuchtet.

Verzerrte Ausgewogenheit

Ein Vorgehen, das laut dem Wirtschaftswissenschaftler Vojtech Bartos von den Universitäten München und Mailand aber auch zu Problemen führen kann. Er erklärt gegenüber science.ORF.at: „Es kommt so schnell zu einer Verzerrung, einer falschen Ausgewogenheit, durch die der Eindruck entsteht, dass die Meinung von Impfgegnern und Impfbefürwortern in einem Land gleichmäßig stark verteilt ist.“

Mit einem internationalen Team untersuchte Bartos, wie stark das Bild der Bevölkerung über die Ärztinnen und Ärzte eines Landes tatsächlich von der Realität abweicht. Dafür befragte das Forschungsteam eine repräsentative Gruppe von mehr als 2.100 Personen und über 9.600 Ärztinnen und Ärzte aus der Tschechischen Republik. Das Ergebnis der Untersuchung präsentieren das Team aktuell im Fachjournal „Nature“.

Fakten erhöhen Impfbereitschaft

Die Befragungen fanden im Februar und März 2021 in einem frühen Stadium der Impfstoffausrollung statt. Schon dabei stellte sich aber heraus, dass im medizinischen Bereich große Hoffnung in das Vakzin gesetzt wurde. Rund 90 Prozent der tschechischen Ärztinnen und Ärzte gaben damals an, schon geimpft zu sein oder es noch vorzuhaben. Außerdem wollten 95 Prozent ihren Patientinnen und Patienten zur Impfung raten.

Dem gegenüber stand die Befragung der tschechischen Bevölkerung. 90 Prozent davon unterschätzten die Meinung der Fachleute zur Impfung. Die meisten glaubten sogar, dass nur etwa die Hälfte aller Mediziner für eine Impfung ist und nur 60 Prozent davon bereit seien, sich selbst impfen zu lassen.

Nach der anfänglichen Befragung bekam die Hälfte der Teilnehmenden Fakten über die Meinung der tschechischen Ärzte zugeschickt. „Gleich nach der Information konnten wir ein größeres Interesse an der Impfung feststellen, aber die Zahl der tatsächlich verabreichten Impfungen stieg anfangs kaum an.“ Dies sei aber, so Bartos, vor allem auf die im März 2021 für viele noch schwer zu bekommenden Impfstoffe zurückzuführen.

Vergleichbare Resultate wahrscheinlich

In den darauffolgenden neun Monaten befragte das Team alle Probandinnen und Probanden mehrmals nach ihrem Impfstatus. 4,5 Prozent der informierten Personen, die sich anfangs nicht impfen lassen wollten, änderten im Laufe der Zeit ihre Meinung. Laut Bartos ein nicht zu unterschätzender Wert, vor allem hochgerechnet auf ein ganzes Land. Sie waren auch eher dazu bereit, Zweit- und Booster-Impfungen in Betracht zu ziehen. „Die Personen nur ein einziges Mal mit den Informationen über die Ärztinnen und Ärzte zu versorgen, hatte also langfristige Folgen“, so Bartos.

„Wir haben uns unter anderem deswegen auf die Tschechische Republik konzentriert, weil sie beim Vertrauen in die Ärztinnen und Ärzte im Vergleich mit anderen Ländern ziemlich durchschnittlich abschnitt“, so Bartos. Die Ergebnisse aus der Studie seien wahrscheinlich nicht auf alle anderen Länder übertragbar, aber: „Ich gehe davon aus, dass zumindest in den Ländern, in denen man der Meinung von Ärztinnen und Ärzten ähnlich oder mehr vertraut, vergleichbare Resultate erzielt werden können.“

Mehrere Bereiche betroffen

Künftig sieht Bartos vor allem Journalistinnen und Journalisten in der Pflicht, ausgewogener zu berichten. Das heiße jedoch nicht, dass es keinen Platz für unterschiedliche Meinungen geben soll. Vielmehr wünsche sich der Wissenschaftler, dass auch klar berichtet wird, wie häufig die dargebotenen Meinungen unter Fachleuten sind.

Sollte das gelingen, glaubt Bartos auch in anderen Bereichen an Fortschritte. Neben dem Impfthema seien auch etwa Meinungen zur Klimaerwärmung oft von einer falschen Ausgewogenheit in den Medien betroffen. Eine einmalige und dadurch kostengünstige Aufklärung könnte laut Bartos vielen Personen dabei helfen, eine eigene, auf Fakten basierende Meinung zu zahlreichen Themen zu bilden.