Alte Frau im Rollstuhl mit Betreuung
©Photographee.eu – stock.adobe.com
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„Weißbuch Alzheimer“

Demenz zu 40 Prozent mit Lebensstil vermeidbar

Mit einer gesunden, aktiven Lebensweise kann man Alzheimer-Demenz zu 40 Prozent vermeiden. Das erklärte der Mediziner Peter Dal-Bianco am Dienstag anlässlich der Präsentation eines Weißbuches „Volkskrankheit Alzheimer“ am Dienstag in Wien.

In Österreich leben gemäß „Demenzbericht“ 140.000 Menschen mit Demenz. Bis 2050 könnten es laut Schätzungen 260.000 werden. Bei zwei Dritteln davon, also 93.000 Patienten, ist die Alzheimer-Erkrankung die Ursache.

Vorbeugung und Früherkennung

Vorbeugemaßnahmen sind laut Peter Dal-Bianco, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in Wien und Präsident der Österreichischen Alzheimer Gesellschaft, eine hohe Schulbildung, nicht (passiv) rauchen, keinen bis wenig Alkohol trinken, Erschütterungen des Kopfes im Sport (Köpfeln beim Fußball sowie Boxen) vermeiden, bei Hörproblemen ein Hörgerät zu verwenden, eine gesunde Ernährung (die zu keinem Übergewicht führt) und bis ins hohe Alter körperlich sowie geistig aktiv zu sein. Bis zu 40 Prozent der Demenzerkrankungen könnten so verhindert werden.

Das Weißbuch wurde von der Firma Biogen Austria herausgegeben, die unter anderem Medikamente für Nervenerkrankungen wie Morbus Alzheimer entwickelt.

Eine wichtige Erkenntnis bei der Erstellung des Alzheimer Weißbuches war, dass nicht nur die Wichtigkeit der Prävention, sondern auch der Früherkennung oftmals unterschätzt wird, sagte Michael Kreppel-Friedbichler von der Biotech-Firma Biogen Austria. Durch Therapien könne man den Krankheitsverlauf „erheblich beeinflussen“, so Dal-Bianco: „Leider vergeht oft wertvolle Therapiezeit, weil der Zeitraum zwischen den ersten Symptomen bis zur Behandlung meist sehr groß ist“.

Bessere Diagnoseangebote gefordert

Betroffene und Angehörige wollen den Ausbruch der Krankheit oft nicht wahrhaben, erklärte Antonia Croy von der Selbsthilfeorganisation Alzheimer Austria. Sie fürchten eine Stigmatisierung und den Ausschluss aus dem sozialen Leben. Deshalb bräuchte es ein möglichst niederschwelliges Diagnoseangebot. „In den großen Städten funktioniert das in der Regel sehr gut, am Land leider weniger“.

Viele Menschen meiden auch eine Diagnose, weil sie glauben, man könne nichts gegen die Krankheit tun, sagte Dal-Bianco: „Das stimmt aber nicht mehr. Möglicherweise steht sogar schon die erste Kausaltherapie (Anm.: Therapie gegen die Ursachen, und nicht nur Auswirkungen) vor der Türe“.

Präparate stehen in Startlöchern

In den USA wurden kürzlich im Schnellverfahren Präparate (monoklonale Antikörper) zugelassen, die mit der Alzheimer-Demenz einhergehenden Anlagerungen von Beta-Amyloid Eiweißstoffen verringern, berichtete Dal-Bianco. In Europa sei man mit einer Zulassung zögerlicher, da noch nicht bewiesen ist, dass es den Patientinnen und Patienten dadurch besser geht. Er bezeichnete das Vorgehen der US-Behörden als „großen Feldversuch“, um die Wirksamkeit herauszufinden.

Eventuell könnten diese monoklonalen Antikörper in früheren Stadien gut eingesetzt werden, meint der Mediziner: Es dauert 20 Jahre von den ersten Veränderungen im Gehirn, bis das Organ so stark geschädigt ist, dass die Patienten Probleme haben. Wenn man während dieser Zeit die schädlichen Eiweiß-Ablagerungen im Gehirn verhindern kann, kommt es vielleicht gar nicht zu ernsthaften Krankheitszeichen.

Viele Ursachen

Oftmals stecken hinter dem Symptom Vergesslichkeit aber auch ganz andere Ursachen als die Morbus Alzheimer, sagte Dal-Bianco: zum Beispiel Vitaminmangel, Schilddrüsen-Fehlfunktion und Depressionen. Werden diese medizinischen Probleme kuriert, verschwindet oft die Vergesslichkeit. „Manche Menschen quälen sich mit Angst und Symptomen herum, die eigentlich sehr gut behandelbar sind“, erklärte er.

Die Folgen einer Alzheimer-Demenz betreffen oft nicht nur die Erkrankten selbst, sondern auch ihr soziales Umfeld, berichtete Kurt Schalek von der Abteilung Gesundheitsberuferecht und Pflegepolitik der Arbeiterkammer Wien. „Viele der betreuenden Angehörigen sind auch berufstätig“, sagte er: „Die Unterstützung- und Entlastungsmöglichkeiten für sie sind in Österreich, um es positiv auszudrücken, sehr ausbaufähig“.

Die Experten fordern von der Politik im Weißbuch unter anderem spezialisierte Zentren für die Früherkennung, Differenzialdiagnose und Therapie von Demenzerkrankten sowie bessere Förderung von Krankheitsvorbeugung im Gesundheitssystem. Sie wollen, dass die Alzheimer-Früherkennung in Vorsorgeuntersuchungen forciert und Pflegekräften mehr Fortbildung für Demenzerkrankungen ermöglicht wird. Die Alzheimerforschung solle verstärkt finanziert werden, und vor allem für alte Menschen wäre eine Aufklärungskampagne hilfreich.