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Diana Vyshniakova – stock.adobe.
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Studie

Schlafmangel macht egoistisch

Dass ausreichend Schlaf wichtig für die eigene Gesundheit ist, ist bekannt. Dass Schlafmangel aber auch den Mitmenschen schaden kann, zeigt eine neue Studie: Laut dieser sind unausgeschlafene Menschen egoistischer und weniger hilfsbereit. Nach einer Zeitumstellung sinke sogar die Spendenfreude.

Ob es sich um eine durchgemachte Nacht, anhaltende Schlafstörungen oder lediglich um eine Stunde Zeitumstellung handelt: Die Folgen von Schlafmangel zeigen sich von der zwischenmenschlichen bis zur gesellschaftlichen Ebene, berichten Forscherinnen und Forscher der Universität von Kalifornien, Berkeley, im Fachjournal „PLOS Biology“. In drei verschiedenen Experimenten untersuchte das Forschungsteam um Eti Ben Simon und Matthew Walker, welchen Einfluss Schlafmangel auf das soziale Bewusstsein und die Hilfsbereitschaft hat.

Gehirnscan zeigt Folgen von Schlafentzug

Im ersten Experiment füllten 24 Probandinnen und Probanden einen Fragebogen aus – einmal nach einer Nacht mit normalem Schlaf und einmal nach einer Nacht ohne Schlaf. Während der Nächte wurde die Gehirnaktivität der Teilnehmenden mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) beobachtet. Mit diesem Verfahren können aktivierte Hirnregionen mit hoher räumlicher Auflösung dargestellt werden.

Das fMRT zeigte, dass bestimmte Bereiche des Gehirns, die für Einfühlungsvermögen und Empathie wichtig sind, nach einer schlaflosen Nacht weniger aktiv sind. „Es ist, als würden diese Teile des Gehirns nicht reagieren, nachdem wir nicht genug Schlaf bekommen haben“, sagt Ben Simon. Die Auswertung der Fragebögen ergab zudem, dass die Bereitschaft, anderen zu helfen, bei den Teilnehmenden nach der schlaflosen Nacht weitaus geringer ausfiel.

Frau liegt mit offenen Augen im Bett
Getty Images/EyeEm/Dmitry Marchenko
Ein- und Durchschlafstörungen sind weit verbreitet

Im zweiten Experiment maßen die Forscherinnen und Forscher die Schlafqualität und -quantität von 100 Personen während drei bis vier Nächten: Wie oft sie aufwachten, und wie lange sie schliefen. Danach folgte wieder der Fragebogen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Probandinnen und Probanden nach einer Nacht mit zu wenig Schlaf nach eigener Aussage einen geringeren Drang verspürten, anderen zu helfen. Dabei ging es beispielsweise um das Aufhalten einer Aufzugtür oder um Hilfe für einen verletzten Fremden auf der Straße.

„Diejenigen, die in der Nacht zuvor schlecht schliefen, gaben an, am nächsten Tag weniger bereit und daran interessiert zu sein, anderen zu helfen“, so Ben Simon. Die Hilfsbereitschaft sei also schon geringer ausgeprägt, wenn die Schlafqualität von einer Nacht zur nächsten abnimmt.

Spendenfreude sinkt nach Zeitumstellung

In der Studie wurde auch untersucht, ob sich die Umstellung auf Sommerzeit auf das Spendenverhalten auswirkt. Dafür wurde eine Datenbank mit drei Millionen Spenden in den USA zwischen 2001 und 2016 durchsucht. Das Ergebnis: Spenden für wohltätige Zwecke gingen in US-Bundesstaaten, in denen die Nacht eine Stunde kürzer war, um zehn Prozent zurück. Ein Rückgang, der in jenen Bundesstaaten, in denen die Uhren nicht umgestellt wurden, nicht zu beobachten war.

„Schon eine sehr geringe ‚Dosis‘ Schlafentzug, wie in diesem Fall nur eine einzige Stunde, hat einen sehr messbaren und sehr realen Einfluss auf die Großzügigkeit der Menschen und damit darauf, wie wir als Gesellschaft funktionieren“, sagt Walker.

Schlaf ist „keine Zeitverschwendung“

Vielfach belegt ist, dass Schlafmangel u. a. mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen, Diabetes und Bluthochdruck verbunden ist. Die aktuelle Studie zeige, dass Schlafmangel nicht nur der Gesundheit eines Menschen schade, sondern auch den sozialen Beziehungen zwischen Menschen und darüber hinaus dem Gefüge der Gesellschaft selbst, so Walker. „Wie wir als soziale Spezies funktionieren, scheint zutiefst davon abzuhängen, wie viel Schlaf wir bekommen.“

Es sei an der Zeit, sich als Gesellschaft von der Vorstellung zu verabschieden, dass Schlaf Zeitverschwendung sei, so Ben Simon. Schlaf müsse gefördert werden, anstatt Menschen, die ausreichend schlafen, dafür zu beschämen. Denn: „Wenn Schlaf in der Gesellschaft unterbewertet wird, bekommen wir nicht nur medizinisches Personal, das unter Schlafentzug leidet, sondern wir leiden auch täglich unter unfreundlichen und wenig empathischen Begegnungen.“