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frank11 – stock.adobe.com
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„Pandemie-Babys“

Lockdowns bremsten Kommunikation

Dass die Pandemie samt Lockdowns und Masken Auswirkungen auf die Entwicklung von Babys gehabt haben könnte, zeigt eine neue Studie: Verschiedene kommunikative Fähigkeiten waren bei Einjährigen nach einem Jahr Pandemie vergleichsweise schlechter ausgeprägt als bei Babys einer früheren Studie. Bei anderen Meilensteinen der Entwicklung hatten die „Pandemie-Babys“ aber die Nase vorne.

Je jünger ein Baby, desto mehr ist es bei Interaktionen auf die Augen des Gegenübers fixiert. Mit der Zeit verlagert sich der Blick dann auf den Mund. Doch gerade diesen sahen Babys, die in die Coronavirus-Pandemie geboren wurden, aufgrund von Masken lange Zeit nur selten. Zudem trafen „Pandemie-Babys“ in ihrem ersten Lebensjahr nur selten Menschen außerhalb der eigenen Familie.

Maßnahmen wie Lockdowns und Masken, die zur Eindämmung des Coronavirus notwendig waren, könnten die Entwicklung der sozialen Kommunikationsfähigkeiten von Babys beeinflusst haben. Darauf deutet eine Studie aus Irland hin, die nun im Fachjournal „Archives of Disease in Childhood“ veröffentlicht wurde.

Meilensteine der Entwicklung

Die 309 Babys, deren Eltern an der Studie teilnahmen, wurden allesamt zwischen März und Mai 2020 geboren – also ganz zu Beginn der Pandemie und direkt in den ersten langen Lockdown hinein. Das Forschungsteam um die Kinderneurologin Susan Byrne von der Universität für Medizin und Gesundheitswissenschaften in Dublin dokumentierte die erreichten Meilensteine der Entwicklung, die die Babys um ihren ersten Geburtstag laut ihren Eltern erreicht hatten.

Diese Meilensteine haben mit der Entwicklung von Kommunikation und Sprache zu tun, aber nicht nur. Dazu zählen etwa die Fähigkeiten, den eigenen Namen zu kennen, ein Wort mit einer klaren Bedeutung auszusprechen, bewusst auf einen Gegenstand zu zeigen und sich mit einem Winken von anderen Menschen zu verabschieden. Meilensteine der Entwicklung sind aber auch die Fähigkeiten zu krabbeln, alleine zu stehen und kleine Gegenstände mit dem Zangengriff, also mit Daumen und Zeigefinger, zu greifen.

Vergleich mit Babys aus früherer Studie

Die Forscherinnen und Forscher verglichen die erreichten Meilensteine der „Pandemie-Babys“ mit Daten einer früheren irischen Studie mit 1.629 Babys, die zwischen 2008 und 2011 geboren wurden. Der Vergleich zeigte, dass die „Pandemie-Babys“ im ersten Lebensjahr weniger Meilensteine der Entwicklung erreichten als die Babys der früheren Studie – zumindest was die Kommunikation betrifft.

Bei den „Pandemie-Babys“ war es weniger wahrscheinlich, dass sie im Alter von zwölf Monaten ein bestimmtes Wort mit einer klaren Bedeutung aussprechen konnten (77 Prozent vs. 89 Prozent), weniger wahrscheinlich, dass sie in der Lage waren, auf einen bestimmten Gegenstand zu zeigen (84 vs. 93 Prozent), und weniger wahrscheinlich, dass sie sich mit einem Winken von jemandem verabschiedeten (88 vs. 94,5 Prozent).

„Pandemie-Babys“ konnten früher krabbeln

Die Entwicklung der sozialen Kommunikationsfähigkeiten habe durch die reduzierten Kontakte gelitten, so die Studienautorinnen und -autoren. Und weil die meisten Menschen in der Öffentlichkeit eine Maske trugen, war auch das Erleben und Ausprobieren von nonverbalen Elementen der Sprachentwicklung, wie Mimik und Gestik, großteils auf Eltern und – wenn vorhanden – Geschwister beschränkt.

Dafür war aber die Wahrscheinlichkeit, dass die in die Pandemie geborenen Kinder im Alter von zwölf Monaten krabbeln konnten, größer als bei den Einjährigen der früheren Studie (97,5 vs. 91 Prozent). Laut dem Forschungsteam könnte das darauf zurückzuführen sein, dass die im Frühjahr 2020 geborenen Babys mehr Zeit zuhause und auf dem Boden verbracht haben, und weniger unterwegs waren.

„Babys sind widerstandsfähig und wissbegierig“

Mögliche Einflussfaktoren wie das Alter der Kinder, die Schwangerschaftsdauer und der Bildungsgrad der Mutter wurden in der Studie berücksichtigt – die Unterschiede zwischen beiden Gruppen waren dennoch deutlich.

Eine unlängst veröffentlichte Studie der Universität Oslo hat sich ebenfalls mit den Folgen der Pandemie auf die Sprachentwicklung beschäftigt. Laut dieser war der Spracherwerb von Kindern durch Lockdowns nicht gebremst worden. Die Studie konzentrierte sich allerdings auf den Wortschatz von Kindern bis zum Alter von drei Jahren.

Die Forscherinnen und Forscher aus Dublin räumen ein, dass es sich bei der aktuellen Arbeit um eine Beobachtungsstudie handle, und daher keine eindeutigen Schlussfolgerungen über Ursache und Wirkung gezogen werden können. Zudem sei es schwierig, den Einfluss von Erziehung und Umfeld vollständig herauszufiltern. Nichtsdestotrotz sei es sinnvoll, die „Pandemie-Babys“ bis zum Schuleintritt zu beobachten, um sicherzustellen, dass ihre Erfahrungen im ersten Lebensjahr keine langfristigen Auswirkungen auf die Sprachentwicklung haben.

Grund zur Panik sieht das Forschungsteam aber nicht: „Babys sind von Natur aus widerstandsfähig und wissbegierig, und es ist sehr wahrscheinlich, dass sich ihre sozialen Kommunikationsfähigkeiten mit der Zunahme sozialer Kontakte auch wieder verbessern“.