Anthropologie

15.700 Jahre alte Pfeilspitzen in Amerika entdeckt

Die ältesten Pfeilspitzen Amerikas wurden in Idaho ausgegraben und nun auf ein Alter von rund 15.700 Jahren geschätzt. Sie waren vermutlich an Wurfpfeilen montiert, die Schleuderstäben verschossen wurden. Ihr Design entspricht jenem älterer Projektilspitzen im heutigen Japan. Vermutlich waren die ersten Einwanderer mit den Völkern Nordostasiens verbunden.

Ein Team um Loren Davis von der Oregon State University brachte die Projektilspitzen bei Ausgrabung „über mehrere Sommer zwischen 2012 und 2017“ zu Tage. An der Untersuchung und zeitlichen Einordnung der Fundstücke war auch Thomas Higham vom Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien beteiligt.

Die vierzehn "Projektilspitzen waren aufgrund ihrer Größe wohl am ehesten an Wurfpfeilen und nicht an Pfeilen oder Speeren befestigt, die mit einem gehakten Stab (Atlatl) geschleudert wurden, erklärte Davis der APA: „Ich sage dies, weil die Spitzen relativ klein sind und mit Wurfpfeilspitzen aus späteren Perioden übereinstimmen.“ Es handelte sich trotz der geringen Größe um „tödliche Waffen“, so der Forscher in einer Aussendung der Oregon State University zu der nun im Fachmagazin „Science Advances“ erschienenen Studie: „Man kann jegliches bekannte Tier mit solchen Waffen erjagen.“

Älteste Spitzen Amerikas

Der Fundort: „Cooper’s Ferry“ liegt auf einer Terrasse beim Salmon River im westlichen Idaho, einem Bundesstaat im Nordwesten der Vereinigten Staaten von Amerika. Dort hatte Davis’ Team zuvor schon jüngere Projektilspitzen, Steinwerkzeuge und Tierknochenstücke ausgegraben.

Älteste Pfeilspitzen Amerikas
Loren Davies

Die aktuell beschriebenen, „ältesten bekannten Spitzen der beiden Amerikas“ sind circa zwei bis sieben Zentimeter lang und ein bis zwei Zentimeter breit. Sie wurden wohl aus länglichen Abschlägen hergestellt und an der Ober- sowie Unterseite bearbeitet. Teils haben die Benutzer ihre Klingenränder (nach mehrmaligem Gebrauch) nachgeschärft. Zwölf der Spitzen wurden aus Silikatgestein hergestellt, und zwei aus fein gekörntem Vulkangestein. Es handelt sich dabei um Materialien, die unweit des Fundortes (innerhalb von zehn Kilometern) zu beschaffen waren. Die Projektilspitzen hatten gegenüber der rasiermesserscharfen Spitzen kleine „Stämmchen“, um sie im Schaft zu verankern.

Asiatisches Design

Das Alter von 13 der Spitzen konnte mit der Radiokarbonmethode abgeschätzt werden, bei der man den Anteil an radioaktivem Kohlenstoff (C-14) misst, der mit einer Halbwertszeit von 5.730 Jahren zerfällt. Das Ergebnis: Sie sind rund 15.700 Jahre alt.

Die Pfeilspitzen zeigen große Ähnlichkeiten zu 16.000 bis 20.000 Jahre alten Exemplaren, die in Nordostasien, und dort vor allem im heutigen Japan gefunden wurden. Die Forscher und Forscherinnen spekulieren daher, dass die frühen Nordwestamerikaner über den Pazifik gekommen sind – genauer gesagt: südlich der kontinentalen Eisschilder entlang der Pazifik-Küste -, denn ein eisfreier Korridor der Route über eine Bering-Landbrücke und den Norden des amerikanischen Kontinents war erst zu einer Zeit vorhanden (wahrscheinlich vor 13.800 Jahren), als die Ur-Amerikaner schon längst die Gegend bei Cooper’s Ferry besiedelten und jene Wurfpfeilspitzen fabrizierten.

„Wir kennen die genetische Herkunft der Leute nicht, die bei Cooper’s Ferry lebten“, so Davis: „Die Form und Art der Herstellung der gestielten Projektilspitzen, die am Standort Cooper’s Ferry und in Japan gefunden wurden, stützen jedoch die Hypothese, dass jene frühen Völker kulturelle Konzepte teilten, wie man Steinwerkzeuge macht.“ Es gab also ein „gemeinsames Netzwerk traditionellen Wissens", das sich während der letzten Eiszeit von Nordostasien bis nach Amerika erstreckte“, meint der Anthropologe.