Die europäische Zentralbank in Frankfurt
APA/dpa/Frank Rumpenhorst
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Klimakrise

Finanzströme müssen umgeleitet werden

Billionen Dollar müssten laut Weltklimarat jedes Jahr investiert werden, um die Klimaziele zu erreichen. Das kann nur gelingen, wenn Geldflüsse umgeleitet werden, aus fossilen Unternehmen in nachhaltige. Um für mehr Transparenz zu sorgen, hat die EU die Rechenschaftspflicht verschärft. Zukünftig müssen Nachhaltigkeitsaspekte detailliert ausgewiesen werden.

Derzeit überschlagen sich die Ölkonzerne mit vermeintlichen Jubelmeldungen: Shell und BP konnten ihre operativen Gewinne im vergangenen Jahr verdoppeln und erhöhen die Dividende. Die Ölkonzerne profitieren von den derzeit hohen Energiepreisen, räumt Pedram Payami ein, der am Umweltbundesamt in der Abteilung Green Finance forscht. Doch es sei auch eine Frage des Zeithorizont. „Vergleicht man den Gesamtaktienmarkt mit dem Markt für Ölkonzerne in den letzten zehn Jahren, dann ist es eher so, dass die Wertentwicklung von Erdöl-Unternehmen schlechter war als der Gesamtmarkt.“

Dass sich fossile Investments derzeit lohnen, sei zwar aus Klimasicht ein falsches Signal, man dürfe die Aktienkurse der Ölkonzerne jedoch nicht als Referenz heranziehen, wenn es um die Frage geht, inwiefern die Klimakrise und die bevorstehende Transformation bereits am Finanzmarkt berücksichtigt werde, meint der Ökonom.

Klimarisiken werden miteinbezogen

Beispielsweise würden Versicherungen schon länger physische Klimarisiken wie Stürme oder Überschwemmungen modellieren und in ihre Bewertungen miteinbeziehen. Und auch das transitorische Risiko spiele für Investoren eine immer größere Rolle, sagt Pedram Payami. „Das sind Risiken, die aus dem bevorstehenden Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft resultieren und sich auf bestimmte Geschäftsmodelle auswirken.“ Der CO2-Preis wird steigen und einige Geschäftsmodelle weniger lukrativ machen. Ein Risiko, das von Investoren zunehmend berücksichtigt wird.

Dass Klimarisiken mittlerweile eine Rolle spielen, kann Matthias Berninger bestätigen, der den Bereich Nachhaltigkeit bei der Bayer AG leitet. „Wir erleben, dass Ratingagenturen längst nicht mehr nur die finanzielle Bonität betrachten, sondern auch der Nachhaltigkeitsfaktor eine große Rolle spielen.“ Bayers größte Investoren, wie Temasek, der norwegische Staatsfonds oder Blackrock würden vom Unternehmen erwarten, dass es aus fossilen Energien aussteigt.

Mehr Information gegen Greenwashing

Damit Investoren bewerten können, ob ein Unternehmen eine konsequente Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt und sich auf die Einhaltung der Klimaziele vorbereitet, brauchen sie Informationen. Derzeit fehlen die Daten zu Nachhaltigkeit jedoch oft, oder sie werden nicht veröffentlicht. Das wird sich in den kommenden Jahren ändern, sagt Pedram Payami. Die EU hat nämlich die Rechenschaftspflicht für Unternehmen verschärft. Zukünftig müssen große Unternehmen und börsennotierte KMUs detailliert über Nachhaltigkeitsaspekte berichten.

Die neuen Vorgaben, die ein Teil des European Green Deals sind, werden zu mehr Transparenz und einer besseren Vergleichbarkeit zwischen den Unternehmen führen, ist der Ökonom überzeugt. „Zudem wird auch Greenwashing deutlich negiert, weil dann gewisse Informationen offengelegt werden müssen.“

Unterschiedliche Bewertungskriterien

Klare Standards für Nachhaltigkeitsberichte seien an sich gut und würden Greenwashing verhindern, sagt Mathias Berninger von der Bayer AG. Aus Sicht eines weltweit operierenden Unternehmens wären jedoch einheitliche globale Standards wichtig. Derzeit müssten etwa in Europa die Emissionen der Zulieferer in die CO2-Bilanz miteinberechnet werden; ob man das auch in den USA tun müsse, sei hingegen noch unklar.

Von der Nachhaltigkeitsabteilung auf die Vorstandsebene

Damit die Pariser Klimaziele erreicht werden, müssen auch Unternehmen auf „Netto-Null“ kommen. Eine immense Herausforderung, die in der Praxis bedeute: Jedes Jahr müssen die verbleibenden Emissionen halbiert werden, sagt Mathias Berninger. „Das ist machbar, erfordert aber einen eisernen Willen vom gesamten Vorstand.“ Die Dekarbonisierung könne man nicht der Nachhaltigkeitsabteilung überlassen. „Die Nachhaltigkeitsabteilung kann einen Bericht zusammenschreiben, aber die Transformation ist eine gemeinsame Entscheidung aller im Unternehmen Verantwortlichen.“

Dass es Bewegung am Finanzmarkt gibt, sehe man gerade daran, sagt Pedram Payami: Klima und Umweltthema werden heute auf der Vorstandsebene mit Investorinnen und Investoren diskutiert. „Das ist etwas, was in den letzten Jahren entstanden ist.“

Marktversagen ausgleichen

Angesichts der Dringlichkeit der Klimakrise, würden diese Entwicklung aber zu wenig rasch vonstattengehen, sagt der Finanzexperte. Allein in Österreich seien Investitionen in der Höhe von rund 145 Milliarden Euro notwendig, um die Klimaziele zu erreichen. Eine Investitionssumme, die der Staat nicht allein aufbringen könne. Es brauche ein Schulterschluss mit dem Finanzsektor.

Der Weltklimarat betont in seinem letzten Bericht, dass es keinen Mangel an Geld gebe, es jedoch von fossilen in nachhaltige Bereiche umgelenkt werden müsste. Die Taxonomie- und Offenlegungs-Verordnungen seien ebenso wie die neuen Rechenschaftspflichten Maßnahmen, mit denen die Politik die Strukturen schafft, Geldflüsse umzulenken, erklärt Payami. Bis diese wirken, wird es aber noch ein paar Jahre dauern. „Es braucht daher Unternehmen, die nicht darauf warten, dass sie vom Gesetzgeber zu mehr Nachhaltigkeit gedrängt werden, sondern proaktiv handeln.“