Eine schlafende Frau
Getty Images/Mladen Zivkovic
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Studie

Menschen brauchen (mehr) Winterschlaf

Menschen brauchen im Winter mehr Schlaf als im Sommer: Die Phase intensiver Träume etwa dauert in den dunklen Monaten laut einer neuen Studie eine halbe Stunde länger. Lichter, Lärm oder Heizung in Großstädten haben daran nichts geändert – die „innere Schlafuhr“ tickt noch immer wie vor Jahrtausenden.

„Unsere Studie zeigt, dass sich der Schlaf von Erwachsenen in Städten mit den Jahreszeiten verändert“, sagt Dieter Kunz von der Charité Berlin. Er und sein Team haben das Schlafverhalten von rund 300 Personen ein Jahr lang verfolgt und die Ergebnisse soeben in der Fachzeitschrift „Frontiers in Neuroscience“ veröffentlicht.

„20 bis 30 Prozent aller Personen in Großstädten leiden an Schlafstörungen“, erklärt Chefarzt Kunz im Gespräch mit science.ORF.at. Er forscht an der Klinik für Schlaf- und Chronomedizin im Alexianer St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin. Patentinnen und Patienten, die dort unter Behandlung sind, leiden an solchen Schlafstörungen aller Art – auch im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen.

Schlafanalyse in natürlichem Umfeld

Rund 300 Patientinnen und Patienten der Klinik haben an der Studie zur Schlafentwicklung in den Jahreszeiten teilgenommen. Jeden Monat wurde dafür ein dreitägiger Test durchgeführt, bei dem die Forscherinnen und Forscher in der Nacht Werte der Versuchspersonen aufzeichneten. Dabei achteten sie darauf, dass die Personen natürlich aufwachten, also ohne Wecker oder dergleichen. Jeweils die Ergebnisse der zweiten Nacht wurden zur Auswertung analysiert und mit den Aufzeichnungen der restlichen Monate verglichen.

Die Studie ist nach Angaben Kunzes die erste, die Schlafverhalten in einem natürlichen Umfeld ohne künstliches Licht, technische Temperaturregulierungen oder Geräuschkulissen erforscht hat. Die regelmäßigen Tests liefern Daten, die von Monat zu Monat verglichen werden können – und zeigen damit auch, wie sich der Schlaf auf natürliche Temperatur- und Lichtveränderungen anpasst.

Einfluss der Jahreszeiten

Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Traumphase des Schlafes im Winter um eine halbe Stunde länger andauert. Die sogenannte REM-Phase intensiviert sich gegen Ende der Nacht und kann bis zu 25 Prozent des Schlafes ausmachen. Sie dient der Tagesverarbeitung und ist dem Wachzustand am nächsten.

Die Probandinnen und Probanden der Studie schliefen im Winter durchschnittlich auch eine Stunde länger als im Sommer. Weiters bemerkte das Forschungsteam kürzer anhaltende Tiefschlafphasen im Herbst, mit einem Tief im November.

Gesellschaftliches Problem

Biologisch bräuchten die Menschen also im Winter mehr Schlaf. Die meisten Menschen bleiben jedoch im Winter „unverändert leistungsfähig“, was laut Studie für viele Personen zu einem Gefühl der Erschöpfung führen kann – vor allem in den Monaten Februar und März. Um diesem entgegenzuwirken, empfehlen Forscherinnen und Forscher früher schlafen zu gehen – ansonsten könnten Konzentrationsschwierigkeiten auftreten und sich das Infektionsrisiko erhöhen.

„Saisonalität ist bei jedem Lebewesen auf diesem Planeten allgegenwärtig“, sagt Kunz. Obwohl in Großstädten ein konstanter Lärmpegel herrschen kann, es zu jeder Tageszeit hell sein kann und Temperaturwerte ein paar Grad wärmer sein können, ticke in den Menschen doch ihre biologische innere Uhr.

Um den Einfluss der Jahreszeiten auf den Schlaf weitergehen zu erforschen müsse „die Studie mit einer großen Anzahl an gesunden Probandinnen und Probanden wiederholt werden.“ Kunz beschreibt den derzeitigen Forschungsstand gegenüber science.ORF.at als „die Spitze des Eisbergs.“ Und ergänzt: „Im Allgemeinen sollten die Gesellschaften ihre Schlafgewohnheiten, einschließlich der Dauer und des Zeitpunkts, an die Jahreszeit anpassen oder die Schul- und Arbeitszeiten auf den saisonalen Schlafbedarf abstimmen.“