FRau liegt im Bett und hält die Hände vors Gesicht
terovesalainen – stock.adobe.com
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Therapie

Mit Geräuschen gegen Alpträume

Wiederkehrende Alpträume machen vielen Menschen das Leben schwer. Eine spezielle Therapie kann helfen, die Trauminhalte in eine positivere Richtung zu lenken. Noch besser funktioniert das laut neuen Erkenntnissen mit Hilfe von Geräuschen, die den Träumenden im Schlaf vorgespielt werden.

Das Herz rast und so sehr man sich auch anstrengt und rennt – vor dem unbekannten Verfolger gibt es kein Entkommen. Was nach Szenen aus einem Horrorfilm oder Thriller klingt, ist ein typisches Szenario in Alpträumen. Andere häufige Trauminhalte sind Verletzungen, Stürze ins Bodenlose, ein gelähmter Körper oder das unvorbereitete und vielleicht sogar kleiderlose Erscheinen zu einer wichtigen Prüfung.

Wiederkehrende Alpträume

Grund zur Besorgnis ist ein Alptraum aber grundsätzlich noch nicht, denn hin und wieder schlecht zu träumen, ist normal. Problematischer wird die Situation aber, wenn bestimmte Alpträume immer wieder durchlebt werden und zum Teil sogar mehrmals wöchentlich in nur leicht abgeänderter Form auftreten.

Zahlreiche Personen leiden an einer derartigen Alptraumstörung – Schätzungen zufolge sind es rund vier Prozent aller Erwachsenen. „Diese Zahl ist vielleicht sogar noch untertrieben, weil es gerade bei Alpträumen oder Schlafstörungen immer noch eine große Dunkelziffer an Betroffenen gibt, die deswegen nicht zum Arzt gehen“, erklärt der Leiter des Schlaflabors der MedUni Wien, Stefan Seidel, gegenüber science.ORF.at. Die wiederkehrenden Alpträume wirken sich dabei oft so stark auf die Betroffenen aus, dass sie nicht nur den Schlaf stören. Sie können sich auch negativ auf den Tagesablauf auswirken und sogar Angst vor dem Einschlafen erzeugen.

Negative Inhalte ersetzen

Um Personen mit einer Alptraumstörung zu helfen, gibt es die sogenannte Imagery Rehearsal Therapy. Das Ziel dieser Behandlung ist es, die negativen Trauminhalte in Therapiesitzungen durch positivere Erlebnisse zu ersetzen.

Dazu werden zuerst die Stellen des wiederkehrenden Traums identifiziert, die Angst oder ein anderes belastendes Gefühl erzeugen. Die Betroffenen müssen dann daran arbeiten, diese Passagen durch neue und positivere Inhalte zu ersetzen. Der ursprüngliche Alptraum bleibt so zwar erhalten, wird aber so stark modifiziert, dass er bei den Betroffenen kaum noch negative Emotionen auslöst.

Geräuschwiedergabe verstärkt Therapieerfolg

Dass die Therapie Wirkung zeigt, gilt mittlerweile als bewiesen. „Zu dem Thema gab es in den letzten Jahren bereits einige ausführliche Untersuchungen“, so Seidel. Ein Forschungsteam aus der Schweiz hat nun aber einen weiteren Schritt zur Behandlung hinzugefügt, um so noch bessere Ergebnisse zu erzielen. Die Forscherinnen und Forscher schlagen in einer aktuellen Studie im Fachjournal „Current Biology“ vor, die Wiedergabe bestimmter Geräusche in die Imagery Rehearsal Therapy einzubinden.

„Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen den Emotionen, die wir in Alpträumen erfahren und unserem generellen emotionalen Wohlbefinden“, erklärt der an der Untersuchung beteiligte Psychiater Lampros Perogamvros von der Universität von Genf. Die Forscherinnen und Forscher wollten daher die Emotionen während des Schlafs gezielt beeinflussen und den Betroffenen so noch besser zu helfen.

An Inhalte gekoppelte Geräusche

Dazu untersuchte das Schweizer Team 36 Erwachsene mit chronischen Alpträumen oder einer Alptraumstörung. Alle Betroffenen waren bereits vor dem Beginn des zweiwöchigen Experiments in Imagery Rehearsal Therapy.

Während des Experiments mussten die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer täglich Übungen absolvieren und sich intensiv mit dem Modifizieren der eigenen Träume auseinandersetzen. Der Hälfte der Gruppe wurden dabei bestimmte Geräusche vorgespielt. Das Ziel war es, die Geräusche so an eine positivere Version des Alptraums zu koppeln. Der zweiten Hälfte der Betroffenen wurde während der Übungen nichts vorgespielt.

Nachts mussten alle Probandinnen und Probanden ein kabelloses Kopfband tragen, das Informationen über ihren Schlaf sammelte. In der REM-Schlafphase, in der die meisten Träume entstehen, wurden ihnen dann die Geräusche aus den Übungen erneut vorgespielt.

Aufnahmefähig, auch beim Schlafen

Das Ergebnis: Die Personen, die die Geräusche mit positiven Trauminhalten assoziierten, klagten nach dem Experiment über deutlich weniger Alpträume als die Personen aus der Kontrollgruppe. Auch drei Monate nach dem Experiment waren die positiven Effekte noch deutlich messbar.

„Das ist natürlich sehr interessant, weil es einmal mehr zeigt, dass unser Gehirn auch während des Schlafs aufnahmefähig ist“, so Seidel. Ein weiteres Beispiel dafür sei etwa das Lernen von Fremdsprachen im Schlaf – eine Fähigkeit, die in mehreren Studien bereits nachgewiesen wurde. Träumer können sogar auf einfache Fragen reagieren und Antworten geben.

Die vom Schweizer Forschungsteam weiterentwickelte Imagery Rehearsal Therapy hat laut Seidel auf jeden Fall Potential, Betroffenen künftig effektiver zu helfen. Da am Experiment aber nur relativ wenige Personen teilnahmen, sei es noch zu früh, um die Methode als einen Durchbruch im Kampf gegen Alptraumstörungen zu bezeichnen. Dafür seien erst noch umfangreichere Untersuchungen nötig. Die Studie aus der Schweiz bilde jedenfalls eine gute Grundlage.

Früher Therapiestart wichtig

Laut Seidel löse die Methode aus der Schweiz aber nicht das Problem, dass Alptraumstörungen oft nicht richtig diagnostiziert und deswegen auch dementsprechend falsch behandelt werden. Dabei sei ein früher Therapiestart äußerst wichtig. „Wenn es in den Anfängen solcher Störungen zu keiner Behandlung kommt, kann das schnell zu chronischen Problemen führen“, so Seidl.

Wichtig sei daher, den Arztbesuch nicht zu meiden. Wenn Alpträume tatsächlich so häufig oder intensiv auftreten, dass es dadurch zu Schlafstörungen oder einem beeinflussten Alltag kommt, rät der Leiter des Schlaflabors der MedUni Wien auf jeden Fall zu einem Termin bei Ärzten oder Psychotherapeuten.

Um die Diagnose zusätzlich noch zu erleichtern, rät Seidel allen Betroffenen ein Traumtagebuch zu führen und die geträumten Inhalte und Emotionen gleich nach dem Aufwachen zu notieren. Den Expertinnen und Experten helfe das sehr, schnell eine richtige Diagnose zu stellen.