In Niedersachsen, dem Untersuchungsgebiet, sind künstliche Gewässer wie z. B. künstliche Kiesgrubenseen zu gängigen Landschaftselementen geworden
Florian Möllers / AVN
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Seen

Wie Fischbestände erhöht werden können

Seen zu renaturieren und damit Lebensräume zu schaffen, führt zu höheren Fischbeständen als die verbreitete Praxis, Gewässer einfach mit Fischen zu besetzen. Das zeigt eine Studie mit österreichischer Beteiligung, für die 20 Baggerseen in Deutschland sechs Jahre lang untersucht wurden.

Das berichtet ein Forschungsteam, dem auch der österreichische Ökologe Johannes Radinger vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) angehört, im Fachjournal „Science“. In Kooperation mit Angelvereinen wertete das Team 20 Baggerseen etwa durch die Schaffung von Flachwasserzonen ökologisch auf und verglich die Auswirkungen mit klassischem Fischbesatz.

Bisher fehlten überzeugende Belege dafür, dass ein umfassender Gewässerschutz effektiver ist als die Alternative, einzelne Arten zu fördern und den Fischbestand durch das Aussetzen von Tieren aufzustocken, was lange Zeit die Praxis des Fischereimanagements dominiert hat. Die Wiederherstellung ökologischer Rahmenbedingungen, die ganzen Lebensgemeinschaften zugutekommen, scheitert oft auch an den damit verbundenen Kosten und Aufwand.

Flachwasserzonen steigern Fischbestände nachhaltig

Das Team vom IGB und der Humboldt-Universität zu Berlin hat gemeinsam mit Angelvereinen über einen Zeitraum von sechs Jahren in 20 Baggerseen, etwa Schotterteiche, mit einer Durchschnittsgröße von sieben Hektar in Niedersachsen verschiedene Maßnahmen gesetzt und deren Folgen verglichen. In einigen Seen wurden zusätzliche Flachwasserzonen geschaffen, in anderen sollten Totholzbündel die Strukturvielfalt erhöhen.

Flache Vegetationsflächen entlang der Uferlinie eines Kiesgrubensees in Niedersachsen
Florian Möllers / AVN
Flachwasserzonen entlang der Uferlinie eines Kiesgrubensees in Niedersachsen

Weitere Gewässer wurden mit fünf fischereilich begehrten Fischarten besetzt. Zudem dienten unveränderte Seen als Vergleich. Insgesamt wurde im gesamten Untersuchungszeitraum eine Stichprobe von knapp 160.000 Fischen genommen.

In den Experimenten zeigte sich, dass nur die Schaffung von Flachwasserzonen die Fischbestände nachhaltig steigerte. Der Gesamtfischbestand verdreifachte sich nahezu nach der Schaffung flacher Uferzonen im Vergleich zu den Kontrollseen. Solche Uferzonen sind für viele Fischarten ökologisch unverzichtbar, vor allem als Laichplatz und als Refugien für Jungfische. Das Einbringen von Totholzbündeln entlang von rund einem Fünftel der Uferzone hatte nur in einzelnen Gewässern positive Effekte, der Besatz mit fünf Fried-und Raubfischarten (rund 100 Kilo pro Hektar) verfehlte das Ziel einer nachhaltigen Steigerung der Fischbestände gänzlich.

„Schutz und Nutzung im Einklang“

„Auch wenn ökosystemorientierte Maßnahmen oft aufwendig sind – offensichtlich kann die Wiederherstellung zentraler ökologischer Prozesse und Lebensräume Fischbestände nachhaltiger schützen und fördern als eng auf einzelne Arten ausgerichtete Maßnahmen wie Fischbesatz“, so Radinger. Durch die Kooperation mit den Angelvereinen sei es zu einem Umdenken in Bezug auf den Fischbesatz gekommen und die Akzeptanz nachhaltigerer, lebensraumbezogener Managementalternativen gestiegen.

Flussbarsch, Fisch
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Eine der in der Studie untersuchten Fischarten ist der Flussbarsch

Die Wissenschaftler ziehen zwei zentrale Schlüsse aus der Studie, die nicht nur für Baggerseen gelten: Einerseits wirke sich die Wiederherstellung ökologischer Prozesse nachhaltiger auf Lebensgemeinschaften und Arten aus als der enge Fokus auf den Schutz einzelner Arten. Andererseits funktioniere Gewässerschutz besonders gut, wenn Nutzungsgruppen wie Angelvereine in Eigenverantwortung aktiv werden und in ihren Bemühungen von Behörden, Verbänden und Wissenschaft unterstützt werden. So lasse sich Naturschutz und Naturnutzung in Einklang bringen.