Schmetterlingssammlung im NHM
NHM Wien, K. Kracher
NHM Wien, K. Kracher
Naturhistorische Museen

Erster Schritt zu weltweiter Katalogisierung

Im Rahmen einer weltweiten Initiative sind die umfangreichen Sammlungen der größten naturhistorischen Museen der Welt erstmals katalogisiert worden – mit dem Ziel, irgendwann das gesamte in den Archiven gelagerte Wissen in einer globalen Datenbank zusammenzufassen. Mit dabei ist auch das Naturhistorische Museum Wien.

Weltweit gibt es über eintausend Naturhistorische Museen – die größten davon stehen in Europa und Nordamerika. In ihren Archiven enthalten sie Wissen aus der Vergangenheit und Gegenwart der Erde und des Sonnensystems, immer öfter werden die Sammlungen aber auch genutzt, um in die Zukunft zu blicken.

In den Archiven lagern schließlich umfangreiche Informationen, die unter anderem Vorhersagen über die Folgen der Klimaerwärmung erleichtern. Auch zu Fragen über die globale Biodiversität, den Artenschutz und künftige Pandemien liegen dort oft Antworten parat.

Internationaler Museumskatalog

Das Potenzial der Museen als Informationsquelle für die Wissenschaft und für Entscheidungsträger ist groß, viel Wissen ist dort aber immer noch hinter dicken Archivwänden verborgen und nicht frei zugänglich. Forscherinnen und Forscher wissen meist gar nicht genau, welche Datensätze und Proben in den Museen ihres Landes existieren.

Um das zu ändern, schlossen sich Forschungsteams und die Leiterinnen und Leiter mehrerer Naturhistorischer Museen zusammen und starteten eine globale Initiative. Sie entwickelten eine Methode, die es erlaubte, die Sammlungen der Museen schnell und einfach zu katalogisieren und quantifizieren.

Entstanden ist ein Datensatz aller Objekte, die in den 73 größten Naturhistorischen Museen in 28 Ländern zu finden waren. Die beteiligten Forscherinnen und Forscher präsentieren die Ergebnisse der Datenerhebung aktuell im Fachjournal „Science“.

Globale, digitale Datenbank als Ziel

Der Datensatz zeigt, dass es in den 73 Naturhistorischen Museen über 1,1 Milliarden Objekte gibt, um die sich mehr als 4.500 Museumsangestellte und über 4.000 Freiwillige kümmern. Einzeln digitalisiert wurden die Objekte dabei jedoch noch nicht. Die Datenerhebung sei daher erst ein erster Schritt, stellen die an der Initiative beteiligten Forscherinnen und Forscher klar.

Digitalisierung, Naturhistorische Museen
Nico Garstman, Naturalis Biodiversity Center
Mithilfe von digitalisierten Museumsobjekten könnten Forscherinnen und Forscher auch online auf die Sammlungen zugreifen

Das eigentliche Ziel sei um ein Vielfaches aufwendiger und umfangreicher: Eine internationale Datenbank, in der jedes einzelne Objekt aller Naturhistorischen Museen in digitaler Form gespeichert ist. Das würde auch Forscherinnen und Forschern aus anderen Ländern uneingeschränkten Zugriff auf die umfangreichen Sammlungen erlauben.

“Möchten Sammlungen sichtbar machen“

Dieses Ziel unterstützt auch Katrin Vohland, die Generaldirektorin des Naturhistorischen Museums Wien. „Diese Idee von Open Science und Open Access ist etwas, was sowohl uns in Wien als auch die globale Initiative antreibt. Wir möchten unsere Sammlungen gerne wirklich öffentlich zugänglich und sichtbar machen“, erklärt sie gegenüber science.ORF.at.

Käfersammlung im NHM
NHM Wien, K. Kracher
Käfersammlung im NHM

Auch das Wiener Museum war unter den 73 Institutionen, deren Sammlungen im Rahmen der globalen Initiative quantifiziert wurden. Bis das Ziel einer internationalen und vollständig digitalisierten Datenbank erreicht wird, wird es laut Vohland jedoch noch viele Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte dauern. „Das ist oft eine sehr komplexe Angelegenheit, weil verschiedene Museen ihre Sammlungen oft unterschiedlich kategorisieren.“

Viel Arbeit und enge internationale Kooperationen seien nötig, um die globalen Sammlungen so weit zu standardisieren, dass sie miteinander vergleichbar sind. Außerdem stelle sich die Frage, wer die internationalen Bemühungen künftig finanziert.

Eigeninitiative und Zusammenarbeit nötig

An dem Ziel der weltweiten Initiative beteilige sich Vohland aber dennoch sehr gerne. Um für eine derartige internationale Datenbank künftig jedoch auch brauchbare Datensätze bereitstellen zu können, müsse erst die eigene Sammlung digitalisiert werden. Am Naturhistorischen Museum Wien wird daran schon seit einiger Zeit gearbeitet.

Die Forscherinnen und Forscher der globalen Initiative fordern auch die anderen Naturhistorischen Museen der Welt dazu auf, die Digitalisierung ihrer Sammlungen eigenständig voranzutreiben. Verbunden mit nationalen und internationalen Kooperationen zwischen den Museen und Forschungseinrichtungen könnte sich das künftig vor allem für die Wissenschaft rentieren.

Wissenslücken schließen

Auch wenn die Sammlungen in den Museen extrem umfangreich sind, zeigten sich bei der Datenerhebung einige inhaltliche und geografische Lücken. Die Forscherinnen und Forscher fanden in den 73 Naturhistorischen Museen etwa vergleichsweise wenige Objekte zu den Tropen oder Polarregionen, marinen Systemen oder Gliederfüßern.

Vohland sieht in der Erhebung das Potenzial, Forschungsbemühungen künftig auf diese Bereiche zu lenken: „Das hilft natürlich dabei, diese Wissenslücken aufzudecken. Und wenn man sie einmal sichtbar gemacht hat, kann man natürlich weitergehen und in Untersuchungen versuchen, die Lücken zu schließen.“