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candy1812 – stock.adobe.com
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Biodiversität

Mehr Taten gegen Artensterben gefordert

Gegen das Artensterben gebe es zwar Pläne und Mittel, haben Biodiversitätsforscher und -forscherinnen bei einem Pressegespräch erklärt, die Politik müsste allerdings auch handeln. Maßnahmen fänden sich im UNO-Artenschutzabkommen und im EU-Naturschutzpaket. „Jetzt braucht es Taten“, so Franz Essl, Ökologe an der Uni Wien.

Gemeinsam mit dem Wissenschaftler des Jahres 2022 traten auch die Botanikerin Luise Schratt-Ehrendorfer, Wildbienenforscher Heinz Wiesbauer, Global-2000-Umweltchemiker Helmut Burtscher-Schaden und Evolutionsbiologin Elisabeth Haring von der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft ZooBot für eine Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen ein: „Mit dem EU-Naturschutzpaket liegen zwei konkrete Gesetzesentwürfe zur Pestizidreduktion in der Landwirtschaft und zur Wiederherstellung der Biodiversität auf dem Tisch.“

Über die Pläne der EU hinaus wurden auch Maßnahmen bei der UNO-Biodiversitätskonferenz im Dezember 2022 beschlossen. Eines der Ziele ist es, bis 2030 global jeweils 30 Prozent der Landes- und der Meeresfläche unter Naturschutz zu stellen.

Auf der politischen Ebene stünden die Aufgaben außer Streit, so Essl, der zwar einräumte, dass verschiedene Spezies immer wieder ausgestorben wären: „Es ist auch nicht problematisch, wenn einzelne Arten lokal verschwinden oder lokal auftauchen – es ist dann problematisch, wenn es Tausende betrifft.“ Doch es sind noch mehr: Laut Schätzung sind eine Million an Arten gegenwärtig im 21. Jahrhundert bedroht und werden das 22. nicht mehr erleben, wenn sich das Verhalten der Menschheit nicht ändere. „Ein derart rasanter Verlust, der wiederum durch den Verlust von Lebensraum verursacht wird, wird gravierende gesellschaftliche Probleme mit sich bringen“, warnte der Forscher.

Anreizsysteme und Rahmenbedingungen

Auch Österreich hat im Vorjahr die nationale „Biodiversitätsstrategie 2030+“ vorgestellt, jetzt sei es aber einmal notwendig, das Ambitionsniveau der Umsetzung zu erhöhen, Anreizsysteme zu schaffen wie auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen. In der Landwirtschaft fehle laut Essl etwa ein solcher Anreiz, der es für die Agierenden attraktiver mache, etwas zur Biodiversität beizutragen. Weitere „Killer“ sind etwa der Bodenverbrauch, die Verbauung von Flüssen und natürlich die Klimakrise.

Wie sich das Artensterben in Österreich zeigt, wurde an den beiden Beispielen Wildbienen und Farn- und Blütenpflanzen mit Zahlen ausgeführt. Laut der Botanikerin Schratt-Ehrendorfer, die auch als Herausgeberin der Roten Liste der 3.462 heimischen Pflanzen dieser Gattung fungiert, stehen 1.274 bzw. 37 Prozent auf dieser. 66 Arten sind ausgestorben bzw. verschollen, 235 vom Aussterben bedroht, 369 stark gefährdet, 488 gefährdet und 116 Arten in unbekanntem Ausmaß gefährdet. Weitere 304 Arten befinden sich in der Vorwarnstufe. Hauptverursacher sei die Landwirtschaft, „da die ‚zeitgemäße land- und forstwirtschaftliche Nutzung‘ von den artenschutzrechtlichen Bestimmungen ausgenommen ist“ – daher wäre eine Ökologisierung der Landwirtschaft notwendig.

Bei den Wildbienen wirkt sich der Rückgang an nutzbaren Lebensräumen gemeinsam mit dem Spritz- und Düngemitteleinsatz, Stickstoffeinträgen und auch die Konkurrenz durch die Honigbiene negativ aus. Auf 450.000 Stöcke sei der Bestand der Spezies bereits angewachsen, sagte der Wildbienenexperte Wiesbauer, der gerade erst die Neuauflage seines Buchs „Wilde Bienen“ publiziert hat. 707 Wildbienenarten gibt es in Österreich noch, 37 Arten sind in den vergangenen Jahrzehnten jedoch ausgestorben. Nach den Kriterien der Roten Liste wäre wohl rund die Hälfte aller Arten auf irgendeine Weise gefährdet, so der Landschaftsökologe.

Gegenläufige Interessen

Zu den erwähnten notwendigen Gegenmaßnahmen äußerte Burtscher-Schaden, Umweltchemiker von Global 2000, dass es zwar die Pestizidreduktions- (Sustainable Use Regulation, SUR) und die Biodiversitätspläne zu Wiederherstellung der Natur (NRL) gibt, die derzeit im EU-Parlament und im Rat verhandelt werden. Doch es gebe auch Interessen, diese zu schwächen. „Dabei helfen Maßnahmen, die den Biodiversitätsverlust eindämmen, auch bei der Bewältigung der Klimakrise“, sagte Burtscher-Schaden.

Und Pläne alleine helfen wenig, das zeige etwa die 30-jährige Geschichte des Misserfolgs bei der Treibhausgasreduktion, mit dem Resultat von historischen Rekordwerten an Emissionen. Gegen die Umsetzung der aktuellen Pläne agiere die EU-Volkspartei von Anfang an, kritisierte der Experte der NGO, um eine Verschiebung zu erreichen. Auch mit österreichischer Unterstützung sei das geschehen – und bis dato mit Erfolg.