Musiker und Musikerinnen auf einer Krebsstation
Hanze Universität, Groningen
Hanze Universität, Groningen
Krebsstation

Livemusik kann Ängste abbauen

Livemusik auf einer Krebsstation kann auf schwer kranke Menschen angstlösend und stimulierend wirken – und auch das Personal kann profitieren. Das zeigt ein Forschungsprojekt der Musikuni Wien, für das Konzertmusikerinnen und Musiktherapeuten kurze Livekonzerte im Krankenhaus gespielt haben.

Das Angebot „Musiktherapie auf der Intensivstation oder der Onkologie“ gibt es in Österreich schon länger. Normalerweise kommen dazu speziell ausgebildete Musiktherapeuten ins Krankenzimmer und spielen beruhigende Instrumente wie zum Beispiel die Harfe.

Ein Forschungsprojekt an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien (mdw) hat nun über drei Jahre getestet, wie sich Livekonzerte nach Wunsch auf Patienten im Krankenhaus auswirkt. Die Patienten und Patientinnen durften dabei auswählen, in welche Richtung das Konzert gehen sollte, es handelte sich also um Improvisationen, inspiriert von der Persönlichkeit des Patienten oder der Patientin. Erstmals traten dabei Musiktherapeuten und Konzertmusikerinnen gemeinsam auf.

Musiker und Musikerinnen auf einer Krebsstation
Magdalena Bork

Angstlösend und stimulierend

Die Forschungsfrage lautete: Was macht das Livekonzert mit den schwer kranken Menschen, aber auch mit den Konzertmusikern, die eher große Bühnen als kahle Gänge gewohnt sind? Involviert waren neben der mdw in Wien das Royal College of Music in London sowie das Royal Conservatoire im niederländischen The Hague und die Hanze Universität im niederländischen Groningen.

In den Niederlanden konzentrierten sich die Forscherinnen und Forscher auf die Wirkungen der Konzerte auf die Erkrankten. Dabei stellte sich heraus, dass die nur wenige Minuten andauernden „Wunschkonzerte“ entspannend wirkten, Angst abbauten und positiv stimulierten. In Wien wiederum wollten die Fachleute herausfinden, was es mit den Musikerinnen und Musikern macht, wenn sie mit ihren Instrumenten auf die Station kommen und mit den Erkrankten interagieren.

Unterschied zur herkömmlichen Musiktherapie

In Wien trat dazu über drei Jahre hinweg jeweils eine Dreiergruppe mit einem Musiktherapeuten und zwei Konzertmusikerinnen auf. Insgesamt waren das fünf Wochen musikalische Aufführungen auf der Krebsstation am AKH. Gespielt wurden über hundert Improvisationen für mehr als vierzig Patienten und Patientinnen. (Siehe YouTube-Video, weitere Stücke kann man hier nachhören).

Mdw-Projektleiterin Magdalena Bork erzählt von einer Patientin, die sich ein Stück über ihren Garten gewünscht hatte und bei der es mehrere Anläufe brauchte, um den „richtigen Ton" für ihren Garten zu finden. Die Patienten und Patientinnen profitierten von den persönlich abgestimmten Minikonzerten anders, erklärt Bork: „Es kommen dadurch Gespräche zustande, bei denen besonders auf die Ressourcen der einzelnen Personen zurückgegriffen wird.“ Das aktiviere die Menschen und bringe auch Freude und positive Ablenkung auf die ganze Station.

Auch die Profimusiker profitierten

Magdalena Bork war durchgehend als teilnehmende Beobachterin dabei und machte sich Notizen. Bei den anschließenden Befragungen stellte sich heraus, dass diese Konzerte auch für die Profimusiker eine fruchtbare neue Erfahrung waren, so Thomas Stegemann, Leiter des Instituts für Musiktherapie an der mdw: „Viele haben für sich entdeckt, dass das auch eine weitere Möglichkeit für sie sein könnte, sich gesellschaftlich einzubringen. Indem sie das, was sie über viele tausend Übungsstunden sich angeeignet haben, direkt in so einem spontanen Konzert umsetzen und, ich sage mal, der Gesellschaft auch etwas zurückgeben."

Musiker und Musikerinnen auf einer Krebsstation
Magdalena Bork

Durch die Nähe zum jeweiligen Publikum und das direkte Feedback habe sich für die Musiker, die normalerweise in großen Konzertsälen spielen, eine ganz neue Erfahrung in der Begegnung aufgetan.

Positives Feedback vom Spitalspersonal

Auch auf das Spitalspersonal hätten sich die Konzerte positiv ausgewirkt, so die Fachleute. Die Musik und die Anwesenheit der Musikerinnen und Musiktherapeuten hätte die Atmosphäre aufgelockert, und die oft zeitlich und körperlich überlasteten Pflegekräfte hätten berichtet, über die Minikonzerte auch die Patientinnen und Patienten ein wenig besser kennenzulernen.

In Zukunft möchte man bereits an der Uni Konzertmusiker und Musiktherapeuten mehr zusammenbringen – und das Angebot von Livemusik im Krankenhaus möglichst bald weiterführen.