Brachflächen

Forscher fordern gezielte Renaturierung

Einerseits prägt der Mensch immer größere Areale tiefgreifend durch sein Wirtschaften, auf der anderen Seite werden aber auch große Landwirtschaftsflächen aufgegeben. Seit den 1950er-Jahren betrifft das auf bis zu 400 Mio. Hektar Land – eine Fläche halb so groß wie Australien. Forscher und Forscherinnen fordern nun Strategien, damit solche Brachen wieder ihren natürlichen Zustand erlangen.

Insgesamt befinde sich der größere Teil der aufgegebenen landwirtschaftlichen Flächen auf der nördlichen Hemisphäre. Alleine rund 117 Millionen vom Menschen einst genutzte Hektar seien in der früheren Sowjetunion nach deren Zerfall 1991 zu Brachflächen geworden, in denen sich die Natur wieder mehr oder weniger ungestört breit machen könnte, schreiben Gergana Daskalova vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg und Johannes Kamp von der Universität Göttingen in ihrem Beitrag im Fachmagazin „Science“.

Die Treiber solcher Entwicklungen können äußerst vielfältig sein: So kann Land durch den Klimawandel und Umweltverschmutzung nicht mehr landwirtschaftlich nutzbar, durch Naturkatastrophen verwüstet werden, durch Übernutzung ausgelaugt sein oder zum Beispiel in Regionen liegen, die von starker Landflucht geprägt sind. Auch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat „neue Hotspots aufgegebener Flächen“ erzeugt, so Daskalova und Kamp. Während also auf der einen Seite der Mensch sein Einflussgebiet immer weiter ausdehnt, gebe es einen gewissen gegenläufigen Effekt, der in der Zukunft eher zunehmen werde.

Strategien gesucht

Insgesamt ist davon auszugehen, dass sich solche Flächen positiv auf die Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten (Biodiversität) auswirken. Dass sich dort jedoch von selbst über ausreichend Zeit hinweg mehr oder weniger alles wieder so entwickelt, wie es vor der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung war, sei keineswegs ausgemacht, betonen die Forscherin und der Forscher. Studien würden zeigen, dass auch seit über 100 Jahren aufgegebene Flächen mitunter nicht zu ihrem früheren ökologischen Gleichgewicht zurückkehren, wenn sie einfach sich selbst überlassen werden.

Damit das möglichst gut gelingt, müssten sich selbst überlassene Flächen auch entsprechend geschützt werden. Die beiden Wissenschaftler fordern auch, dass sich Länder Gedanken über Strategien zur Renaturierung machen. Dort wo Land nach dem Abzug der Menschen zu veröden und Biodiversität abhanden zu kommen droht, brauche es Pläne, um den Prozess zu managen, und dort vielleicht kleinstrukturierte Landwirtschaft aktiv zu fördern. So habe auch in der Forschung der Kreislauf zwischen dem Ende von Landnutzung, dem Verlust von regionaler Kultur und Traditionen und den ökologischen Veränderungen bisher wenig Aufmerksamkeit erfahren.

Das gelte auch für die internationalen Überlegungen zum Schutz der Biodiversität: Bei der UNO-Artenschutzkonferenz (COP15) im vergangenen Jahr im kanadischen Montreal wurde diesen Themen „kein prominenter Platz eingeräumt“, kommentieren Daskalova und Kamp. Das Potenzial, das vom Menschen aufgegebene Landstriche zu Stabilisierung der stark unter Druck geratenen Ökosysteme bergen, bleibe unausgeschöpft.