Vogelscheuche auf einem Feld
APA/dpa/Roland Weihrauch
APA/dpa/Roland Weihrauch
Europa

Landwirtschaft Hauptursache für Vogelschwund

In den vergangenen vierzig Jahren ist die Zahl der Vögel in Europa um ein Viertel gesunken. Bei den Feld- und Wiesenvögeln beträgt der Rückgang sogar über 50 Prozent. Laut einer neuen Studie ist intensive Landwirtschaft die Hauptursache für den Vogelschwund. Verstädterung und Klimaerwärmung sind weitere Gründe für den Rückgang.

„Seit Jahrzehnten wird über einen Rückgang der europäischen Vogelpopulationen berichtet“, schreibt ein Team um Stanislas Rigal und Vincent Devictor vom Institut des Sciences de l’Évolution de Montpellier (ISEM) im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences". Die direkten Auswirkungen großer menschengemachter Belastungen auf den Rückgang seien jedoch noch nicht beziffert.“

Als Basis für ihre Studie nutzten die Forscherinnen und Forscher zum einen Beobachtungsdaten zu 170 häufig vorkommenden Vogelarten an mehr als 20.000 Standorten in 28 europäischen Ländern. Zum anderen verwendeten sie offizielle Statistiken, etwa vom Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) und von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO).

Weidenmeise mit Wurm
ROMAIN LORILLIERE
Weidenmeise mit einem Wurm im Schnabel

Der Rückgang der Vogelbestände ist demnach nicht gleichmäßig verteilt. Vögel, die Ackerland als Lebensraum bevorzugen, waren mit einer Reduzierung um fast 57 Prozent besonders betroffen. Bei Vögeln in kühleren Lebensräumen gingen die Bestände demnach um 40 Prozent zurück. Der Schwund bei Vögeln in städtischen Lebensräumen war demnach mit knapp 28 Prozent etwas stärker als der allgemeine Trend (–25,4 Prozent). Weniger stark, um gut 17 Prozent, schrumpften Vogelpopulationen, die wärmere Lebensräume bewohnen und die vor allem in Wäldern zu finden sind.

Verstädterung und Erderwärmung

Durch statistische Trendanalysen bestimmten das Team die Größenordnung verschiedener Ursachen für die Verringerung der Vogelbestände. Demnach ist die intensive Landwirtschaft mit einem großen Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln und Düngemitteln die Hauptursache. Pestizide reduzierten die Anzahl an Insekten, die wiederum vielen Vogelarten als Futter dienen. Dies erklärt, warum jene Vogelarten, die Ackerland als Lebensraum bevorzugen, besonders betroffen sind.

Verstädterung und die im Zuge der Klimaerwärmung steigenden Temperaturen waren weitere Ursachen für das Schwinden von Vögeln. Es gab aber auch Vogelarten, die von den Änderungen profitierten. Bei den 55 analysierten Waldbewohnern zeigte etwa die Hälfte einen negativen, die andere Hälfte einen positiven Trend.

„Angesichts der überwältigenden negativen Auswirkungen der Intensivierung der Landwirtschaft und der durch Temperatur- und Landnutzungsänderungen verursachten Angleichung legen unsere Ergebnisse nahe, dass das Schicksal der gemeinsamen europäischen Vogelpopulationen von der raschen Umsetzung transformativer Veränderungen in den europäischen Gesellschaften und insbesondere von Agrarreformen abhängt“, mahnen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen.

Österreich im Trend

„Auch in Österreich liegen wir ziemlich im Trend“, erklärte Benjamin Seaman von BirdLife Austria im Gespräch mit der APA. „Den Feld- und Wiesenvögeln geht es hierzulande besonders schlecht, und das deckt sich mit den Ergebnissen, die europaweit in dieser Studie rauskamen.“ Selbst die Zahl der Waldbewohner sinkt, obwohl die Forstflächen in Österreich zunehmen.

Feldsperling mit Insekt im Schnabel
Romain Lorilliere
Feldsperling mit einem Insekt im Schnabel

Dies erklärt sich der Forscher damit, dass viele von ihnen nicht nur in den Wäldern leben, sondern auch angrenzende Wiesen, Weiden und Felder besuchen. „Wir haben natürlich auch viele Waldflächen, denen es schlecht geht, wie zum Beispiel all den Fichten-Monokulturen in den Niederungen“, sagte Seaman: „Das kann durchaus auch ein Grund sein, dass es den Waldvogelarten schlecht geht.“ Die Bestände von an Kälte gewohnten Vögeln schwinden hierzulande auch. Nur die Zahl bei wärmeliebenden Arten ist relativ konstant, wie sich in der Studie herausstellte.

Viele Verlierer, wenige Gewinner

Es handle sich hier „um eine sehr aussagekräftige Studie“, so der nicht an der Studie beteiligte Forscher Jan Christian Habel von der Arbeitsgruppe Zoologische Evolutionsbiologie der Universität Salzburg gegenüber dem deutschen Science Media Center (SMC). Die Untersuchung der Kollegen offenbare auch „den starken Rückgang von Wirbellosen, wie Insekten, und den Gesamtzustand der Landschaft“.

Die neue Arbeit erlaube es, über den langen Untersuchungszeitraum darzustellen, was die Haupttreiber dieser Entwicklungen sind und wie vielen Verlieren relativ weniger Gewinner gegenüberstehen. So zeigt sich, „dass die Intensivierung der Landwirtschaft mit Pestizideinsatz und Stickstoffeinträgen die Lebensraumqualität reduziert, was sich direkt sowie indirekt – durch den starken und flächendeckenden Rückgang von Insekten als Nahrungsressource – auf die Vogelvielfalt auswirkt“. Habel hofft, dass die Studie „den Leser wachrüttelt, und hoffentlich auch die Politik.“