Hand einer alter Frau
dpa-Zentralbild/Britta Pedersen
dpa-Zentralbild/Britta Pedersen
Alzheimer-Medikamente

„Das ist eine völlig neue Ära“

Rund 100.000 Menschen leben in Österreich mit der Diagnose Demenz, bis 2030 könnten es bis zu 230.000 werden. Zuletzt haben Meldungen über neue Medikamente aufhorchen lassen, die in den USA teils schon zugelassen sind. Für eine österreichische Alzheimer-Spezialistin bricht damit eine neue Ära in der Behandlung an.

Erkrankt ein Mensch an Demenz, lagern sich in seinem Gehirn Eiweiße ab. Diese Amyloid Beta- und Tauproteine töten Nervenzellen, und damit gehen die typischen Symptome einher, vor allem die zunehmende Vergesslichkeit und Orientierungslosigkeit.

Seit Kurzem gibt es zwei neue Wirkstoffe, die genau gegen diese Eiweißablagerungen wirken, sie „aus dem Gehirn wegwaschen“, wie es Elisabeth Stögmann, Leiterin der Demenzambulanz an der Medizinischen Universität Wien, formuliert: „Man hat in großen Studien in den USA gesehen, dass das Amyloidbeta im Gehirn weniger wird und dass dies eben gleichzeitig mit einer klinischen Verbesserung in der Gruppe einhergeht, die die Substanz bekommen hat.“

Der Effekt in der Praxis: Die Erkrankung wird eingebremst, das Gedächtnis funktioniert besser, die Menschen können ihren Alltag leichter bewältigen. All das hat man bei Lecanemab in Tests festgestellt, deren Ergebnisse im „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht wurden. Dieser Wirkstoff wurde in den USA bereits zur Behandlung von Alzheimer zugelassen.

Setzen an Mechanismen der Krankheit an

Zu einem zweiten Wirkstoff, Donanemab, hat bisher nur die entwickelnde Pharmafirma Eli Lilly positive Testergebnisse veröffentlicht, eine Überprüfung im Rahmen einer wissenschaftlichen Publikation steht noch aus.

Verlangsamen statt stoppen oder gar heilen – das können die neuen Präparate bisher. Für Stögmann sind sie dennoch ein großer Schritt nach vorne: „Das ist eine völlig neue Ära. Das gab es in diesem Feld noch nie und ist deshalb meines Erachtens eine Sensation.“ Bisherige Alzheimer-Medikamente stimulieren die Hirnleistung und wirken teilweise gegen Begleiterscheinungen wie Depressionen, setzen aber nicht an den Mechanismen der Krankheit selbst an, wie es die neuen Wirkstoffe tun. „Das ist das wirklich Neue“, so Stögmann.

Engmaschige Betreuung nötig

Zwei große „Aber“ gibt es aus Sicht der Demenzspezialistin: In bisherigen Studien gab es in Einzelfällen schwere Nebenwirkungen in Form von Gehirnschwellungen und Blutungen, die teils sogar tödlich verlaufen sind. Und: Man hat die Medikamente bisher nur bei Menschen getestet, die am Anfang der Erkrankung stehen, nicht aber bei fortgeschrittenem Alzheimer.

Eine Tablette für zu Hause, einfach zu nehmen und schnell wirksam, ist derzeit nicht in Sicht, vielmehr müssen auch die neuen Medikamente unter ärztlicher Aufsicht und stationär in Krankenhäusern abgegeben werden. „Aber prinzipiell rechne ich im Laufe des Jahres 2024 damit, dass ein neues Präparat nach Österreich kommt.“

Prävention bleibt wichtig

Auch wenn in den Worten von Stögmann ein neues Zeitalter der Demenzbehandlung anbrechen könnte, ruft die Medizinerin die Prävention in Erinnerung: gesunde Ernährung, Bewegung, dabei vor allem koordinative Sportarten wie Tanzen, Gehirntraining, indem man neue Sprachen oder ein Instrument lernt, und soziale Kontakte – damit kann man schon ab 45 das Demenzrisiko reduzieren.