Internationale Zeitungen nach Anschlag in Barcelona
AFP/ROBERT BODMAN
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Medien

Gute Nachrichten machen schlechte erträglicher

Wer heute fernsieht, durch Zeitungen blättert oder im Internet surft, kann sich vor lauter schlechten Nachrichten kaum erwehren. Das belastet die Psyche und untergräbt den Glauben an die Menschheit, wie eine neue Studie bestätigt. Der Effekt lasse sich aber abschwächen, wenn rundum auch Gutes über Menschen berichtet wird.

“Only bad news are good news." Medienmacher und Medienmacherinnen wissen: Schlechte Nachrichten verkaufen sich besonders gut. Terroristische Anschläge, Massenschießereien und Naturkatastrophen erzeugen mehr Aufmerksamkeit als alle positiven Berichte zusammen. Die meisten Menschen erinnern sich auch länger daran.

Dass Zeitungen, Nachrichtensendungen und das Internet heute meist voll von Tragödien und negativen Inhalten sind, ist dennoch keine gute Nachricht. Es kann sich nämlich auf das Gemüt schlagen. Sorgen, Ängste und Hoffnungslosigkeit nehmen zu. Das zeigen etwa Untersuchungen aus der Coronavirus-Pandemie, schreiben Kathryn Buchanan und Gillian M. Sandstrom von der britischen University of Sussex im Fachmagazin „PLOS One“.

Besonders Nachrichten, die menschliche Abgründe wie Mord, Kindesmissbrauch und Terrorismus zeigen, können sehr verstörend sein und den Glauben an das Gute im Menschen beeinträchtigen. All das könne dazu führen, dass Menschen immer weniger Mitgefühl für andere haben, misstrauisch und teilnahmslos werden, erklären die beiden Forscherinnen in ihrer aktuellen Studie. Um das zu verhindern, habe sich die Strömung des konstruktiven Journalismus entwickelt, bei dem versucht wird, Meldungen anders zu kontextualisieren, etwa indem man lösungsorientiert über gegenwärtige Probleme berichtet.

Schlechte vs. gute Nachrichten

Da sich nicht jede Geschichte konstruktiv drehen lässt und auf der Welt einfach viele schreckliche Dinge geschehen, über die auch berichtet werden muss, haben sich Buchanan und Sandstrom die Frage gestellt, ob es noch andere Möglichkeiten gibt, die negativen Auswirkungen für Medienkonsumenten und -konsumentinnen abzuschwächen, etwa indem man parallel zu den schlechten Nachrichten auch über Ereignisse berichtet, die die menschliche Güte in den Mittelpunkt stellen.

Internationale Zeitungen nach dem Anschlag in Wien 2020
APA/HERBERT NEUBAUER
Internationale Zeitungen nach dem Anschlag in Wien 2020

Denn obwohl die meisten Menschen stärker auf Negatives reagieren, zeigen Untersuchungen auch, dass der Glaube an das Gute viele tröstet und das Wohlbefinden insgesamt fördert. Wenn man also etwa angesichts von einschneidenden Ereignissen sieht, wie Menschen anderen helfen, könnte das auch bei unbeteiligten Zusehern und Zuseherinnen etwas bewirken. Mit dieser Ausgangsthese führten die beiden Forscherinnen mehrere Experimente durch.

Mischung von Inhalten

Die insgesamt 1.800 Teilnehmer und Teilnehmerinnen wurden in mehrere Gruppen aufgeteilt. Alle sahen entweder kurze ein bis drei Minuten lange Nachrichtenclips oder bekamen kurze News-Geschichten zu lesen. Gezeigt oder beschrieben wurden schlechte, gute, lustige oder neutrale Inhalte. Dabei bekam etwa eine Gruppe Berichte zum Terroranschlag beim Ariane-Grande-Konzert in Manchester im Mai 2017 zu sehen. Einer Vergleichsgruppe zeigte man hingegen ein Video darüber, wie Menschen Betroffenen nach dem Anschlag geholfen haben.

Andere Probanden und Probandinnen sahen einen lustigen Comic, die Kontrollgruppe Kochvideos. Außerdem wurden noch Kombinationen aus verschiedenen Videos und Texten präsentiert. Um herauszufinden, wie sich die Inhalte auswirken, wurden alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen vor und nach den Experimenten ausführlich befragt.

Emotionaler Buffer

Bei Personen, die nur den Bericht über den Terroranschlag gesehen hatten, nahmen negative Gefühle signifikant zu und positive ab. Außerdem hatten sie ein deutlich negativeres Bild der Menschheit.

War der negative Bericht allerdings mit dem positiven zu den hilfreichen Mitmenschen kombiniert, schwächte sich dieser negative Effekt laut den beiden Forscherinnen deutlich ab. Eine Kombination von negativen und lustigen Inhalten hatte auch eine abschwächende Wirkung, aber keine so große. Weitere Experimente, bei denen die gezeigten positiven und negativen Nachrichten anders als im Fall des Terroranschlags in Manchester gar nichts miteinander zu tun hatten, kamen zu ganz ähnlichen Resultaten.

Die Ergebnisse legen nahe, dass Geschichten über gütige und menschenfreundliche Handlungen eine Art emotionaler Buffer gegen negative Nachrichten sein können, heißt es in der Studie. Insbesondere seien sie in der Lage, den Glauben an das Gute im Menschen zu unterstützen.

Glaube an das Gute im Menschen

Die Autorinnen hoffen, dass die Ergebnisse auch bei Journalisten und Medienproduzentinnen ankommen. Sie plädieren für eine ausbalancierte Berichterstattung, die auch positive Geschichten erzählt. Das bedeute nicht, dass Nachrichten nur noch Substanzloses berichten, die Realität beschönigen und Missstände verschweigen sollen, wie die beiden in ihrer Studie betonen.

Aber man sollte vielleicht die negativen Gefühle durch die Art der Aufmachung nicht noch extra provozieren, sodass Medienkonsumenten und -konsumentinnen am Ende nicht anders können, als die Welt für einen dunklen und gefährlichen Ort zu halten. „Nachrichten, die das Beste im Menschen zeigen, können dem Schlechtesten die Spitze nehmen“, so die Forscherinnen in einer Aussendung. „Dadurch können die Menschen einen für die psychische Gesundheit wesentlichen Glauben behalten: dass die Welt und die Menschen, die in ihr leben, grundsätzlich gut sind.“