Ameisen unter dem Mikroskop
APA/dpa/Andreas Arnold
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Neurochemie

Einblicke in das Ameisengehirn

Das Gehirn von Ameisen ist ein ausgeklügeltes Organ, das es den Insekten ermöglicht, komplexe Verhaltensweisen zu koordinieren. An der MedUni Wien wurde nun erstmals eine Methode entwickelt, mit der die Chemie des Ameisengehirns untersucht wird und Einblicke in neurobiologische Prozesse gewonnen werden.

Weltweit gibt es vermutlich 20.000 bis 30.000 Ameisenarten. Das Gesamtgewicht aller Ameisen der Erde ist größer als das der Menschen. Ameisen sind soziale Insekten – sie sind in Staaten organisiert. Im Sinne einer Arbeitsteilung gibt es beispielsweise Jäger und Sammler.

Durch die neue Methode wurde ein dreidimensionales Gehirnmodell erstellt. „Zum ersten Mal konnten wir die räumliche Anordnung dieser Neurotransmitter-Moleküle sehen“, so Christian Gruber vom Institut für Pharmakologie der MedUni Wien. Dazu wurden Gehirne von zwei Ameisenarten – der Blattschneiderameise (Atta sexdens) und der schwarzen Wegameise (Lasius niger) – tiefgefroren und in kleinste Scheiben zerschnitten.

Diese Scheiben wurden dann mit einem hochauflösenden Massenspektrometer vermessen. Konkret, so der Biochemiker, ging es um das Molekülgewicht verschiedenster Transmitter. So entsteht eine zweidimensionale Karte. In Kooperation mit dem Max-Planck-Institut in Bremen wurde diese dann mittels Computertomographie vermessen und ein dreidimensionales Gehirnmodell erstellt.

Erforschung des Sozialverhaltens

Ein echtes Aha-Erlebnis waren für Gruber die enormen Unterschiede innerhalb der Ameisenarten in Bezug auf das Vorkommen einzelner Transmitter in verschiedenen Gehirnregionen. „Das heißt, die Evolution innerhalb der einzelnen Ameisenarten ist äußerst komplex. Die Unterschiede sind teilweise größer als im Vergleich mit einem anderen Insekt oder sogar einem Wirbeltier.“

In nächsten Schritten ginge es darum, die Neurochemie, Signalvorgänge und in weiterer Folge das Sozialverhalten dieser sozialen Insekten besser zu verstehen. Die Neurochemie untersucht die Aktivität von Molekülen während der neuronalen Tätigkeit. Gruber interessiert zum Beispiel die Neurochemie in der räumlichen Verteilung einer Ameise, die gerade Futter sucht oder einen Feind abwehrt. „Diese biologischen Zusammenhänge verstehen wir derzeit noch nicht.“ Die Methode könne aber dazu eingesetzt werden, um neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Basis für Wirkstoffforschung

„Wir können später auch im in-vivo-Versuch untersuchen, wie die Ameisen ihr Verhalten verändern, wenn wir einen Transmitter ausschalten“, so Gruber. Spannend sei, dass sich die Transmittersysteme im Lauf der Evolution von Ameise zum Menschen nur unwesentlich verändert hätten. Dies wäre in Zukunft für die Entwicklung von Wirkstoffen auch für den Menschen relevant. Doch die Wirkstoffforschung sei sehr komplex und der Weg noch weit, räumt der Biochemiker ein – während er und sein Team weiterforschen.