Die im Jahr 1898 gegründete Au§enstelle des österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) in Athen begeht heuer ihr 125-jähriges Bestehen.
APA/ÖAW-ÖAI/BIRGITTA EDER
APA/ÖAW-ÖAI/BIRGITTA EDER
Griechenland

Archäologische Außenstelle wird 125 Jahre

Die im Jahr 1898 gegründete Außenstelle des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) in Athen begeht heuer ihr 125-jähriges Bestehen. Mit Unterbrechungen erforschen dort Archäologinnen und Archäologen einen Teil des „anderen Griechenlandes“ abseits der ganz großen und berühmten Grabungsstätten.

Die Lage an der Peripherie der altorientalischen Reiche des Mittleren Ostens hat im rohstoffarmen Griechenland im ersten Jahrtausend vor Christus zu etwas geführt, was man heute noch als einzigartig und bei weitem nicht selbstverständlich ansehen kann: Es kam zur Entwicklung von gesellschaftlichen, künstlerischen, politischen und technologisch-wissenschaftlichen Neuerungen, die große Teile der Welt bis heute prägen.

Dass viele dieser Errungenschaften letztlich alles andere als selbstverständlich sind, zeigt sich immer wieder. Die Wiege des modernen Europas steht jedenfalls an vielen Orten des heutigen modernen Griechenlands. An einigen Stätten abseits der bekannten antiken Zentren wie der Athener Akropolis, Olympia, Korinth, Delphi und Co. gibt es eine langjährige österreichische Grabungshistorie, die von der inmitten Athens gelegenen ÖAI-Außenstelle federführend mitgestaltet wurde, betont Außenstellen-Leiterin Brigitta Eder im APA-Gespräch.

Zweckgewidmetes Grundstück

Die Anfänge des ÖAI in Athen reichen in die letzten Jahrzehnte der Österreichisch-Ungarischen Monarchie zurück. Rund um die Wende zum 20. Jahrhundert waren es erst sechs vergleichbare Institutionen. Heute ist die Einrichtung eine von insgesamt 19 ausländischen archäologischen Instituten oder Schulen. Das Gebäude wurde nach Plänen des Architekten Ernst Ziller erbaut und im Jahr 1908 eröffnet. Es steht auf einem vom griechischen Staat zweckgewidmeten Grundstück in der Nähe des griechischen Nationalmuseums.

Die Zweckwidmung habe das Gebäude in der Rückschau vermutlich auch nach den Zweiten Weltkrieg davor bewahrt, heute anders genutzt zu werden, vermutet Eder. Letztlich blieb es Drehscheibe und Anlaufstelle für österreichische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und fungiert als zentrale Schnittstelle zu den griechischen Behörden, wenn es etwa um Grabungsgenehmigungen oder die vielen internationalen Kooperationen geht. Am 15. Juni steigt nun eine Festveranstaltung im Institutsgebäude in Athen.

Wissenschaftlicher Blitzstart

Vor 125 Jahren legte die Einrichtung eine Art wissenschaftlichen Blitzstart hin, der durch das Schrumpfen Österreichs auf seine heutige Größe nach dem Ersten Weltkrieg deutlich gebremst wurde, so Eder, die zum Jubiläum in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen auch ein neues Buch zur Tätigkeit und Geschichte des ÖAI-Athen vorlegt. Eine zentrale Figur war hier der frühere, langjährige Leiter des Hauses, Otto Walter.

Nach dem Zweiten Weltkrieg dauerte es bis 1960 bis das Haus wieder als Außenstelle des ÖAI eingerichtet wurde. „Damals war ökonomisch alles sehr limitiert“, so Eder, die seit 2019 als Leiterin fungiert. Erst Anfang der 2000er-Jahre war das Gebäude wieder exklusiv in den Händen der Archäologie.

Heute zählt man in der Außenstelle des zur Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gehörenden ÖAI neben Eder mit Walter Gauß einen weiteren fest angestellten Wissenschaftler. Dazu kommen mehrere Forscher, die über Grabungs- und Drittmittelprojekte vor Ort arbeiten, sowie Gastwissenschaftler.

Sechs Grabungslizenzen

Momentan hält man sechs Lizenzen in Griechenland für österreichische Grabungen und Feldforschungsprojekte, die durch das griechische Kulturministerium genehmigt werden. Drei davon sind nationale Einzelgenehmigungen, die anderen drei griechisch-österreichische Kooperationen. Langjährige Grabungsstätten befinden sich im auf fast 1.000 Metern Seehöhe gelegenen Lousoi und in Aigeira in der nördlichen Peloponnes oder auf der Insel Aigina, wo die Universität Salzburg die Siedlung und das Heiligtum am Kap von Kolonna erforscht. In Zusammenarbeit mit dem griechischen Archäologischen Dienst laufen u.a. größere Projekte in Leontion und Kleidi-Samikon.

Zu entdecken gibt es so einiges. So arbeitet die Archäologie heute sehr fächerübergreifend mit stark naturwissenschaftlich orientierten und technisch-digitalen Methoden. Es können etwa große Areale geophysikalisch vermessen und kartiert werden, und auf im Boden befindliche Strukturen geschlossen oder Analysen mit alter DNA gemacht werden. Keramikanalysen geben Aufschluss über die oft weitreichenden Verbindungen der Ortschaften. So lassen sich heute unglaublich vielfältige Rückschlüsse über das Leben in den antiken Städten, die ökologisch-naturräumliche Umgebung oder die Lebensbedingungen von Mensch und Tier ziehen.

Blick auf “normales Leben“

Heute gehe es darum, ein umfassendes Bild einer Siedlung und deren Umfeld über die Zeit zu zeichnen. Dazu eignen sich „Orte der zweiten Hierarchie“ wie Lousoi und Aigeira sehr gut, wie Eder betonte: „Das ist das wirkliche Griechenland, das ist die Realität der antiken Gesellschaften. Auch die sind nicht täglich auf die Akropolis gegangen.“ Hier erhalte man eine „moderne Perspektive“ auf die Vielseitigkeit des damaligen „normalen Lebens“ in urbanen Stätten.

Durch den gestiegenen technischen Aufwand werde es allerdings aufwendiger, die notwendigen Finanzierungen für Projekte zu bekommen. Das Interesse in der Bevölkerung an der Archäologie sei jedenfalls ungebrochen hoch, so die Forscherin: „In der Reflexion der Vergangenheit denken wir über uns selbst nach.“ Zu lernen gebe es einiges, etwa, wenn man sich mit antiken Klimadaten, einstigen Zugängen zu Geschlechteridentitäten oder der Organisation früher Gesellschaften beschäftigt. Dass unsere heutige Gesellschaft so aufgesetzt ist, wie sie es ist, sei eben nicht vom Himmel gefallen und vieles nur durch den Blick auf das alte Griechenland zu verstehen, betonte Eder, die aktuell vor allem um den Ort Kleidi-Samikon im Westen des Peloponnes Forschung betreibt. Dort haben österreichische, griechische und deutsche Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen erst vor zwei Jahren mit höher Wahrscheinlichkeit ein seit rund 100 Jahren gesuchtes Heiligtum des Poseidon identifiziert.