Glas mit Energydrink und Dose
HandmadePictures/stock.adobe.c
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Taurin

Umstrittene Substanz mit Anti-Aging-Potenzial

Taurin kennt man vor allem als Zutat in Energydrinks. Es hat daher den Ruf, ungesund zu sein – womöglich zu Unrecht, wie eine Untersuchung an Mäusen und Affen nun nahelegt: Mehr Taurin im Körper könnte neben anderen gesundheitsfördernden Effekten sogar dem Altern entgegenwirken. Ob das auch für Menschen gilt, ist aber noch unklar.

Taurin ist eine organische Säure, die nicht nur in beliebten Energydrinks vorkommt – auch der menschliche Körper produziert sie als ein Abbauprodukt der Aminosäuren Methionin und Cystein. Außerdem wird Taurin schon über die Muttermilch und später über tierische Nahrungsmittel zusätzlich aufgenommen.

Als Zutat in vielen beliebten Energydrinks hat die organische Säure aber nicht gerade den Ruf, gesund zu sein. Viele glauben, dass die gesundheitsschädigenden Effekte der Getränke mitunter auf das darin enthaltene Taurin zurückzuführen sind. Die Bioinformatikern Gabi Kastenmüller vom Helmholtz-Zentrum in München kennt den schlechten Ruf der organischen Säure – laut ihr ist sie aber oft eher eine Art Sündenbock für die anderen Inhaltsstoffe der Getränke. „Das sind ja meistens stark gesüßte Drinks, die auch zum Teil in großen Mengen konsumiert werden. Die mir bekannten negativen Effekte dieser Getränke kann man in der Regel also auch durch die anderen Inhaltsstoffe, vor allem den Zucker erklären – das hat weniger mit dem Taurin zu tun“, erklärt sie gegenüber science.ORF.at.

Wundermittel Taurin?

Immer öfter wird Taurin sogar mit gesundheitsfördernden Effekten in Verbindung gebracht. Mittlerweile weiß man etwa, dass die organische Säure an zahlreichen physiologischen Prozessen im Körper beteiligt ist. Sie ist vor allem in jungen Jahren wichtig für die Entwicklung, gilt als entzündungshemmend und wirkt ähnlich wie Antioxidantien, kann den Blutdruck senken und ist wichtig für die Leistung vieler Zellen, etwa in den Muskeln, den Augen oder dem Herz.

Bei all den positiven Effekten, die mit Taurin in Verbindung gebracht werden, ist es laut Kastenmüller aber trotzdem wichtig, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. „Das Molekül hat zwar einige wichtige Funktionen im Körper – alle davon kennt man aber noch gar nicht“, erklärt sie. Da sich Menschen in ihrem Genom, aber vor allem auch in ihrem Verhalten und ihrer Lebensweise stark unterscheiden, sei es etwa leicht möglich, dass Taurin nicht bei allen Menschen gleich wirkt. Aktuell ist es laut der Bioinformatikerin daher noch zu früh, die Einnahme von Taurin tatsächlich zu empfehlen.

Konzentration nimmt mit dem Alter ab

Forscherinnen und Forscher finden aber immer weitere gesundheitsfördernde Effekte von Taurin. Kastenmüller war zusammen mit der Post-Doktorandin und Sportbiologin Daniela Schranner vor Kurzem selbst Teil eines internationalen Forschungsteams, das die Wirkung von Taurin genauer untersuchte.

Die Forscherinnen und Forscher fanden dabei Hinweise darauf, dass die natürliche Taurinkonzentration im Blut von Mäusen, Affen und auch Menschen mit zunehmendem Alter immer weiter abnimmt. Bei Menschen über 60 war sie zum Teil um mehr als 80 Prozent geringer als in Proben von Kindern und Jugendlichen. Im Fokus des internationalen Teams stand daher die Frage, wie stark Taurin den Alterungsprozess verschiedener Lebewesen beeinflusst. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung präsentieren die Forscherinnen und Forscher aktuell im Fachjournal „Science“.

Taurin als Anti-Aging-Mittel

Das Team wollte klären, ob sich eine Erhöhung der Taurinwerte auf den Alterungsprozess auswirkt. Dazu nutzten die Forscherinnen und Forscher Mäuse, Fadenwürmer und Affen, um sie in einer kontrollierten Laborumgebung zu untersuchen. Dort verabreichten sie den Tieren unterschiedliche Mengen an Taurin, erhoben regelmäßig Gesundheitsdaten und verglichen sie anschließend mit unbehandelten Kontrollgruppen.

Das zusätzliche Taurin im Blut der Tiere führte dabei tatsächlich zu einem veränderten Alterungsprozess. „Es wurde gezeigt, dass bei Würmern und Mäusen das Überleben durch Taurin erhöht werden kann“, erklärt Schranner gegenüber science.ORF.at. Konkret heißt das: Durch das extra Taurin verlängerte sich die Lebensdauer der Mäuse um rund zwölf Prozent. Auch die Affen und Würmer blieben mit dem zusätzlichen Taurin im Körper länger gesund.

„Wir konnten sehen, dass die Taurin-behandelten Mäuse mehr Kraft, eine verbesserte Gedächtnisleistung und stabilere Knochen haben. Außerdem haben sie in bestimmten Experimenten weniger Angst gezeigt. Also wir haben durch das Taurin sehr viele unterschiedliche Effekte auf den Alterungsprozess und die Gesundheit der Tiere beobachtet“, erläutert die Sportbiologin. Das zusätzliche Taurin führte auch dazu, dass es bei den behandelten Tieren seltener zu altersbedingten Krankheiten, wie zum Beispiel Diabetes kam.

Ergebnisse nicht übertragbar

Ob die verjüngenden Effekte aber auch bei Menschen auftreten, ist derzeit noch nicht bekannt. Laut Kastenmüller ist es jedenfalls unmöglich, die Ergebnisse aus den Tierexperimenten direkt auf Menschen zu übertragen: „Es ist einfach noch zu unklar, ob eine Supplementierung mit Taurin bei allen Menschen gleich wirkt und immer zu guten Ergebnissen führt. Das braucht definitiv noch weitere Forschung.“

Es sei aber zumindest wahrscheinlich, dass Taurin auch den menschlichen Alterungsprozess beeinflusst und potenziell länger gesund hält. Dass die Taurinkonzentration und die Gesundheit zusammenhängen, konnte das Team auch anhand einer Auswertung der Gesundheitsdaten von knapp 12.000 Probandinnen und Probanden einer britischen Langzeitstudie aufzeigen. Menschen mit wenig Taurin im Blut litten demnach häufiger an Diabetes, chronischen Entzündungen oder Bluthochdruck. Das sei zwar noch kein endgültiger Beweis für die verjüngende Wirkung von Taurin bei Menschen, laut dem internationalen Forschungsteam sei die Erkenntnis aber jedenfalls eine gute Grundlage für weitere Untersuchungen.

Warnung vor Selbstversuchen

Sowohl Kastenmüller als auch Schranner warnen davor, Taurin im Selbstversuch einzunehmen und auf eine Verbesserung der Gesundheit zu hoffen. Vor allem in hohen Konzentrationen seien die Folgen auf den menschlichen Körper noch zu wenig erforscht. Im Tierversuch wurden den Mäusen zum Teil 1.000 Milligramm Taurin pro Kilogramm Körpergewicht verabreicht. Zum Vergleich: Als empfohlene Tageshöchstdosis für Menschen gelten aktuell rund 100 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht.

In weiteren Untersuchungen möchten die Forscherinnen und Forscher unter anderem auch noch klären, wie sehr sich Sport auf den Alterungsprozess auswirkt. Das Team konnte bereits Hinweise darauf finden, dass mehr körperliche Aktivität auch mehr Taurin im Blut bedeutet. Das könnte laut Kastenmüller einer der Gründe sein, warum Sport jung hält.