Lichtverschmutzung, Chiang Mai, Stadt, Licht
jaboo_foto – stock.adobe.com
jaboo_foto – stock.adobe.com
Lichtverschmutzung

Negative Auswirkungen nehmen stark zu

Der Mensch macht durch künstliches Licht die Nacht immer mehr zum Tag. Sowohl das Ausmaß der Lichtverschmutzung als auch ihre geographische Ausdehnung nehmen stark zu – mit wachsenden negativen Auswirkungen auf Lebewesen und Ökosysteme, warnen Forscherinnen und Forscher im Fachjournal „Science“.

Das oft vergeudete Licht benötige enorme Mengen an Strom, was nicht nur hohe Kosten, sondern auch erhebliche Treibhausgasemissionen verursache, heißt es in der Studie.

In fünf Übersichtsarbeiten dokumentieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer „Science“-Spezialausgabe die tiefgreifenden Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf Mensch, Tier und Ökosysteme sowie die Folgen für die Astronomie, die am immer helleren Nachthimmel immer weniger sieht. Zu den Autorinnen und Autoren zählen auch die Epidemiologin Eva Schernhammer von der Medizinischen Universität Wien und der Astrophysiker Stefan Wallner von der Universität Wien.

Das Ausmaß an nächtlicher Beleuchtung habe im vergangenen Jahrzehnt jährlich um fast zehn Prozent zugenommen hat – viel mehr als bisher angenommen, verweisen die Forscherinnen und Forscher auf aktuelle Studien. Angesichts des globalen demografischen Wandels hin zu einer zunehmend städtischen Lebensweise – schon derzeit leben 4,4 Mrd. Menschen in Städten – seien die meisten Leute höheren nächtlichen Lichtbelastungen ausgesetzt.

Erhöhtes Risiko für Erkrankungen

Die negativen Auswirkungen von nächtlichem Licht auf Nachtarbeiter sind gut belegt. Sie haben ein höheres Risiko u. a. für Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Bluthochdruck, Fettleibigkeit und Depressionen, schreiben die Forscherinnen und Forscher. Neuere Forschung hätte eine Verbindung von Außenlicht mit hohem Blaulichtanteil mit erhöhtem Krebsrisiko gezeigt. Hingewiesen wird auch auf Studien während der Covid-19-Pandemie, wonach sich Menschen häufiger, schwerer und länger infizierten, wenn sie unter Schlafmangel litten und/oder nachts arbeiteten oder in Gebieten wohnten, die nachts stark beleuchtet waren.

Auch indirekte Folgen für den Menschen seien aufgrund der ausgeprägten Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf Flora und Fauna „praktisch unvermeidlich, auch wenn sie noch schwieriger zu messen sind“, heißt es in der Arbeit. So könne das mit der Lichtverschmutzung in Verbindung gebrachte Insektensterben nachteilig auf die Gesundheit auswirken, „da Insekten Schädlinge kontrollieren, beim Abbau von Abfällen helfen und mehr als ein Drittel unserer Nahrungsmittel bestäuben“.

Weitreichende Folgen für die meisten Arten

Das Insektensterben ist nur eine von vielen weitreichenden Folgen der Lichtverschmutzung für die meisten Arten. Bekannt sind etwa die Auswirkungen auf den Vogelzug: Anthropogenes Licht desorientiere die meist nachts fliegenden Zugvögel, die dadurch mit Gebäuden kollidieren oder von geeigneten Rastplätzen abgelenkt werden könnten. Häufig dokumentiert sind die Auswirkungen der künstlichen Beleuchtung auf Meeresschildkröten: Sie meiden beleuchtete Strände für die Eiablage, Licht desorientiere ihre Jungtiere nach dem Schlüpfen, was zu hohen Sterblichkeitsraten führe.

Zugvögel auf dem Weg in die Winterquartiere
APA/dpa/Frank Rumpenhorst
Vom Menschen verursachtes Licht hat auch Auswirkungen auf Zugvögel, die nachts fliegen

Weitere von den Forscherinnen und Forschern genannte Beispiele: Nachtaktive Säugetierarten reduzieren ihre Aktivität bei nächtlichem Licht, während Vögel früher „aufstehen“; kleinere Fische sammeln sich in der Nähe von Lichtquellen und werden so eine leichte Beute: Glühwürmchen können bei künstlichem Licht nur schwer Partner anlocken, wodurch Populationen schrumpfen, und selbst Bäume werden beeinflusst: Wachsen sie in der Nähe von Straßenlaternen, werfen sie ihre Blätter später im Jahr ab.

Die Zunahme der nächtlichen Beleuchtung werde zu einem Verlust an biologischer Vielfalt und möglichen Rückkopplungseffekten führen, einschließlich der Beeinträchtigung von Ökosystemleistungen wie der Bestäubung von Nutzpflanzen, sind die Forscherinnen und Forscher überzeugt. Es sei daher von größter Bedeutung, natürliche Gebiete dunkel zu halten und Lichtemissionen zu begrenzen.

Schäden lassen sich verringern

„Jeder Bürger sollte das Recht auf Dunkelheit und auf eine qualitativ hochwertige, verantwortungsvolle Außenbeleuchtung haben, um seine Gesundheit und sein Wohlbefinden und sein soziales Leben zu verbessern“, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Als positive Beispiele heben sie Länder wie Tschechien, Frankreich, Deutschland, Südkorea und Slowenien hervor, die rechtliche und politische Maßnahmen gegen Lichtverschmutzung ergriffen hätten.

Anpassungen der Beleuchtung könnten die Auswirkungen reduzieren. Dazu zählen Abschirmungen, die verhindern, dass Licht in unerwünschte Richtungen abgestrahlt wird, zeitlich begrenzte und adaptive Beleuchtung, die Reduktion der Lichtintensität oder die Anpassung der Farbzusammensetzung. Man könne aber auch in den eigenen vier Wänden etwas tun, um negative Folgen der Beleuchtung zu reduzieren, wie etwa die Umstellung auf warmweißes Licht mit geringerem Blaulichtanteil sowie Sensoren und Zeitschaltuhren, die Licht am Balkon, im Garten und auf Fassaden abends ausschalten oder dimmen.

Im Kampf gegen die Lichtverschmutzung gehe es nicht darum, alle Lichter auszuschalten, sondern um ein „Gleichgewicht zwischen konkurrierenden Interessen“ sowie um Aufklärung, betonen die Forscherinnen und Forscher. So ließen sich Schäden für die menschliche und ökologische Gesundheit sowie Energieverschwendung und Kohlenstoffemissionen verringern. Die Wissenschaftler plädieren dafür, mit Vorurteilen wie „je heller, desto besser“ und „gut beleuchtet bedeutet hell beleuchtet“ aufzuräumen. Es gehe vielmehr um „die richtige Lichtmenge, die richtige Art von Licht, wo und wann es gebraucht wird“.