Solaranlage vor einem Kraftwerk
APA/dpa/Oliver Berg
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Energiewende

Finanzverluste vor allem für die Reichen

Die für den Klimaschutz notwendige Energiewende erzeugt Gewinner und Verlierer. Wer etwa sein Geld in fossilen Brennstoffen veranlagt hat, könnte zu Letzteren zählen. Betroffen davon sind laut neuen Berechnungen aber in erster Linie die zehn reichsten Prozent – und die würden die Verluste kaum spüren.

Erdöl-, Kohle- und Gasförderstätten zu schließen, bevor sie unrentabel werden, sei für eine ambitionierte Klimapolitik notwendig, schreibt ein Team um den Ökonomen Gregor Semieniuk von der University of Massachusetts aktuell im Fachmagazin „Joule“. Kommen die Schließungen aber unerwartet rasch, so verlieren all jene Geld, die darin investiert haben. Unter anderem beträfe das auch Anlagemodelle zur Pensionsvorsorge breiterer Bevölkerungsschichten.

Diese Sorge könne Regierungen veranlassen, die Energiewende zu bremsen, schreiben die Fachleute. Um die Pariser Klimaziele von maximal zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau zu erreichen, müssten jedoch schnelle und weitreichende Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Schätzungen bei der Weltklimakonferenz Ende 2022 in Ägypten zeigten, dass die derzeitigen Klimaschutzpläne zu einer rund drei Grad Celsius wärmeren Welt führen würden.

Reiche spüren Verluste kaum

Mit einem Teil der wirtschaftlichen Auswirkungen des Übergangs hat sich nun das Team um Semieniuk beschäftigt; konkret mit der Frage, welche Vermögenswerte – Aktien, Fonds etc. –, die in fossile Brennstoffe investiert sind, in den Industrieländern durch einen plötzlichen Umstieg auf erneuerbare Energien verloren gehen würden.

Ergebnis: Zwei Drittel der Verluste – von geschätzten 350 Milliarden Dollar in den USA, 200 Milliarden in Europa – würden laut der Berechnung die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung tragen, die Hälfte davon sogar nur das reichste Prozent. Derart vermögende Personen verteilen ihre Investments jedoch stark, sodass der Verlust aus fossilen Investments weniger als ein Prozent ihres Nettovermögens betragen würde.

Staatliche Entschädigung für Ärmere ist machbar

Im Gegensatz dazu würden rund 3,5 Prozent der finanziellen Verluste die ärmere Hälfte der Bevölkerung betreffen – annähernd gleich in den USA wie in Europa. Obwohl der Verlust bei dieser Gruppe stärker ins Gewicht fällt, ist er absolut gesehen nicht hoch: Die Forscher und Forscherinnen schätzen, dass er durch neun Milliarden Dollar in Europa und zwölf Milliarden Dollar in den USA kompensiert werden könnte.

Gregor Semieniuk und sein Team skizzieren drei mögliche Wege, wie Regierungen diese Geldsummen aufbringen könnten: eine CO2-Steuer, das Neuverhandeln von Verbindlichkeiten gegenüber Energieunternehmen oder eine moderate Steuer auf die reichsten Personen.

Semieniuk betont in einer Aussendung der University of Massachusetts: „Es ist nicht unwahr, dass ein gewisser Reichtum gefährdet ist, aber in wohlhabenden Ländern ist es kein Grund für Untätigkeit der Regierung, weil es so billig wäre, diese Verluste zu kompensieren.“

Obere Mittelschicht kaum betroffen

Jene 40 Prozent, die zur reicheren Hälfte der Bevölkerung gehören, aber nicht zu den obersten zehn Prozent, haben anteilsmäßig noch weniger in fossile Brennstoffe veranlagt als die Reichsten. Ihr Vermögen besteht stärker aus Immobilien. Sie wären daher von Verlusten aus fossilen Investments nur sehr wenig betroffen, schreiben die Fachleute.

Für ihre Analyse holte sie aus Daten zur Modellierung von Finanznetzwerken die Information, wieviel Vermögen wo in Öl- und Gasvorkommen investiert sind. Diese Information sowie detaillierte makroökonomische Daten kombinierten sie mit Schätzungen der Finanzvermögens- und Gesamtvermögensverteilung für die Vereinigten Staaten und europäische Länder.

Nicht in der Berechnung erfasst sind Verluste in anderen Erdteilen – unter anderem in den Erdöl produzierenden Ländern im arabischen Raum – sowie andere Arten von ökonomischen Verlusten, zum Beispiel von Arbeitsplätzen in der Erdöl-, Erdgas- und Kohleindustrie oder in Branchen, die fossile Brennstoffe benötigen.

Aber zumindest für die USA und Europa lautet das Fazit der Fachleute: „Jeder Verlust an Reichtum, der wirtschaftliche Härten verursacht, kann mit geringen Kosten kompensiert werden.“