Melierte Katze vor Computer
Anton/stock.adobe.com
Anton/stock.adobe.com
Miaulogie

Wie Katzen im Internet „sprechen“

Katzen sind die gar nicht so heimlichen Stars im Internet. Seit Jahren beschäftigt sich eine Grazer Linguistin intensiv mit dem von vielen Menschen geliebten „Cat Content“. Insbesondere analysiert sie, welche Sprache die Katzenhalterinnen und -halter ihren Tieren ins Maul legen. Aus dem Spezialinteresse ist jetzt ein etwas anderes Lehrbuch entstanden.

Wer viel Zeit im Internet und in sozialen Netzwerken verbringt, entkommt ihm nicht: dem „Cat Content“. Gemeint sind alle Inhalte, die irgendetwas mit Katzen zu tun haben. Dazu zählen nicht nur berühmte Katzen wie Grumpy Cat und Lilbub, die vor allem aufgrund ihres auffälligen Äußeren bekannt wurden, und „Lolcats“ – lustige Darstellungen von Katzen, denen man fehlerhafte Äußerungen in den Mund legt. Auch als Werbesujets und auf privaten Accounts sind die eigensinnigen Tiere schon seit den Anfangszeiten des Internets extrem beliebt.

Katzen machen glücklich

Viele Katzenliebhaber betreiben Profile im Namen ihrer geliebten Haustiere, auf denen sie das alltägliche Leben der ganz „normalen“ Hauskatzen begleiten. Ein solches hat auch Edith Podhovnik vor mehr als zehn Jahren für ihre mittlerweile verstorbene Katze Murrli unter „Murrli Katzenberger“ auf Facebook angelegt und bemerkt, dass sie damit bei Weitem nicht die Einzige war.

Laut der Soziolinguistin handelt es sich um ein weltweites Phänomen, das sich quer durch alle Schichten zieht. Katzen in den Medien und im Internet seien für die allermeisten Menschen einfach attraktiv. „Katzen machen News. Sie haben einen Nachrichtenwert an sich“, wie Podhovnik im Interview mit science.ORF.at die Beliebtheit von „Cat Content“ erklärt.

Screenshot von Tweet mit Katzen-Content
Foto privat

Aber warum sind Katzen so anziehend? Das liege schon in ihrer Natur, meint die Grazer Forscherin: „Die Katze ist ein ideales Tier. Man hat Gesellschaft. Sie ist sehr reinlich – die Leute mögen das – und ist so weich. Sie ist etwa so groß wie ein Baby. Auch das Maunzen ähnelt von der Frequenz einem Baby. Und das Gesicht entspricht dem Kindchenschema. Man muss das Tier einfach ins Herz schließen.“

Außerdem höre sie immer wieder von anderen Account-Betreibern und -Betreiberinnen, dass die „Katzenwelt“ eine so positive Ecke des Internets ist. In den Inhalten spiegle sich die hedonistische Grundhaltung der Tiere: „Sie suchen sich das Beste raus und genießen das Leben“, so Podhovnik. „Katzen tun uns einfach gut und heitern auf.“

„Cat Content“ als Forschungsobjekt

Beim Aufenthalt im „Cativerse“ der Katzen-Accounts ist der Soziolinguistin aber noch ganz anderes aufgefallen, nämlich die vielen Sprachspiele und Neologismen, die es dort gibt. Als Dialektforscherin, die sich schon aus beruflichen Gründen für Sprachvariationen interessiert, hat sie daher begonnen, sich genauer anzuschauen, wie die Halterinnen und Halter ihre Lieblinge im Internet sprechen lassen, und die „Dialekte“, die dabei entstehen, linguistisch zu analysieren. Seit vielen Jahren betreibt sie nun ein Blog zum Thema „Linguistic Variation in Cat-related Digital Spaces“.

Nun ist aus dem Nischenprojekt sogar ein Buch entstanden, das kürzlich erschienen ist: „Purrieties of Language. How We Talk about Cats Online“ (ISBN: 9781108918909). Das Buch ist gleichzeitig eine Einführung in die Soziolinguistik, also jenen Teilbereich der Sprachwissenschaft, der sich mit Sprache und Gesellschaft befasst.

Da sich nicht alle Subdisziplinen mit Onlinebeispielen illustrieren lassen – auf Katzenprofilen wird in der Regel nicht mündlich kommuniziert -, musste die Forscherin für einige Abschnitte der umfassenden Einführung den virtuellen Raum verlassen. Im Kapitel über Phonetik hat sie daher etwa verschiedene gegenwärtige und historische Sprachvarianten rund um Katzen und ihr Miauen im Englischen gesammelt, aber auch Forschungsarbeiten einer schwedischen Kollegin verwendet, die tatsächlich die Lautproduktion der Tiere – vom Maunzen bis zum Schnurren – untersucht.

Sprachspiele und „Miaulogismen“

Die meisten Kapitel arbeiten aber ausschließlich mit Onlinekatzensprache, etwa wenn es um Wortbildungsprozesse und Neologismen geht. Die Kapitelüberschrift „Meowlogisms“ (übersetzt: „Miaulogismen“) ist selbst ein Beispiel für die kreativen Neuschöpfungen im „Cativerse“. „Das funktioniert sehr gut im Englischen, gibt es aber auch im Deutschen. Ein Beispiel ist der ‚Miezwoch‘ statt Mittwoch oder der ‚Miezvertrag‘“, so Podhovnik. Letzterer illustriere eine Katzen oft zugeschriebene Rolle. „Wir werden ja nur geduldet in der Wohnung, die Katze ist aber der Meister.“

Katze Lilly
Foto privat
Katze Lilly

Die Prozesse hinter den Neubildungen erklärt die Linguistin so: „Wenn ein Wortteil vom Lautbild oder von der Rechtschreibung ähnlich ist, kann man es durch ein ‚Miau‘ ersetzen.“ Neben der Silbe „Miau“ werden dabei sehr häufig die Krallen („claws“), die Pfoten („paws“) und das Schnurren („purr“) eingesetzt. Aus „awesome“ wird dann etwa „pawsome“, aus „varieties“ „purrieties“ – wie im Titel des Buchs. „Die Leute spielen irrsinnig gern mit diesen Wörtern“, so die Katzenliebhaberin. Ein wichtiger Aspekt dabei sei auch die Lautmalerei, etwa bei „purrrrfect“, wo die Anzahl des r variiert wird und für die Intensität des Schnurrens steht.

Neue Bedeutung und eigene Grammatik

Ein anderer sprachlicher Prozess im „Cativerse“ ist die Bedeutungsverschiebung, wenn etwa aus dem Hauptwort „panther“ – so werden schwarze Katzen oft genannt – ein Verb gemacht wird: „to pantherize“. Das bedeute, dass die Katze auf den Schoß springt, wie Podhovnik ausführt.

Screenshot von Tweet mit Katzen-Content
Foto privat

Gutes Analysematerial finde sich beim „Lolspeak“, für den ein ganz bestimmtes fehlerhaftes Englisch verwendet wird, das sogar einer eigenen Grammatik folgt. Diesem Phänomen widmet sich ebenfalls ein eigenes Buchkapitel mit zahlreichen Beispielen: „Lilly wented outside and sawed da mouse“. Korrekt würde der Satz heißen: „Lilly went outside and saw the mouse.“

Storytelling und Soziolekte

Auch abseits von Wörtern und Grammatik lassen sich sprachliche Phänomene anhand von „Cat Content“ abhandeln, etwa beim Storytelling und der Intertextualität: Wie und welche Geschichten werden auf den Katzenprofilen erzählt und wie werden sie weitergetragen? Man kann laut der Soziolinguistin auch die Inhalte analysieren und was diese über die Gesellschaft aussagen: „Da merkt man beispielsweise, dass Tierrechte heute mehr Gewicht haben als früher.“

Soziolinguistisch interessant sei auch zu hinterfragen, warum Halter und Halterinnen ihre Katze auf eine ganz bestimmte Weise sprechen lassen. Laut Podhovnik meinen die meisten, dass der Tonfall eben genau zu ihrem Tier passe. Außerdem gebe es im Internet wie im echten Leben eine Art „Gruppensprech“, also einen eigenen Soziolekt, der in einer bestimmten Gruppe gesprochen wird. Die Sprachwissenschaftlerin ist selbst in mehreren virtuellen Katzengruppen aktiv, dort passe sie sich automatisch an die jeweilige Sprechweise an. Auch das sei ein bekanntes soziolinguistisches Phänomen.

YouTube-Video: Japanisch lernen mit Katze

Dass aus ihrem Steckenpferd jetzt ein Buch geworden ist, verdankt die Forscherin ebenfalls der Beliebtheit von Katzen. Nachdem sie festgestellt hatte, dass es wenig Literatur über „Cat Content“, aber unglaublich viel Material für eine Analyse gibt, trat sie mit ihrem Vorschlag an den Verlag Cambridge University Press heran. Die kontaktierte Lektorin entpuppte sich als „Cat Lady“ und fand die Idee super.

Gedacht ist das nun vorliegende Lehrbuch für Studienanfänger und -anfängerinnen. Für Podhovnik ist das Projekt auch ein Beleg dafür, dass Forschung Spaß machen kann, darf und soll: „Überall steckt Wissenschaft drin, wenn ich sie sehen möchte.“