Das neue Coronavirus-Modell am NHM
Naturhistorisches Museum Wien, Alice Schumacher
Naturhistorisches Museum Wien, Alice Schumacher
CoV-Modell

Wie Viren das Leben formten

Viren bewegen sich zwischen Leben und Nichtleben, und ohne sie gäbe es den Menschen in der heutigen Form nicht. Eine neue Wissensstation im Naturhistorischen Museum (NHM) Wien beschäftigt sich mit Viren – im Mittelpunkt steht dabei ein neues Modell von SARS-CoV-2.

Eine blaue Kugel mit roten Krönchen nach allen Seiten, aufgespießt auf einen Metallständer – so präsentiert sich das Coronavirus im Deck 50 des Naturhistorischen Museums. Konzipiert hat es der Molekularbiologe Ulrich Elling vom IMBA, dem Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, gemeinsam mit dem Naturhistorischen Museum (NHM).

Ulrich Elling setzt das stark vergrößerte Modell von SARS-CoV-2 in einen anschaulichen Rahmen: Fast einen Meter Durchmesser hat das Virusmodell. Bei dieser Vergrößerung hätte das gesamte Naturhistorische Museum die Größe einer Körperzelle des Menschen. Der Mensch selbst wäre dann etwa doppelt so groß wie der Durchmesser der Erde.

Virus könnte Emotionen auslösen

Emotional könne der Anblick des Virus für viele ergreifend sein, glaubt Elling, denn es erinnert nur allzu deutlich daran, was das Coronavirus in den vergangenen Jahren angerichtet hat – von persönlichen Schicksalsschlägen bis hin zu gesellschaftlichen Traumata und Folgeschäden, etwa durch Lockdowns und Schulschließungen.

Bei der interaktiven Viruslernstation sollen Gefühle und Erinnerungen zur Pandemie ausdrücklich eingebracht werden, verrät Deck 50-Leiterin Ines Mehú-Blantar. Sie werden systematisch gesammelt, um die Pandemie und ihre Auswirkungen auf sämtliche Bereiche des Lebens zu erfassen.

Viren in der Ursuppe

Und bei aller Abneigung: Ein Platz im NHM sei für das Virus trotzdem gerechtfertigt, meint Ulrich Elling: „Viren sind rund um uns herum und zwar von Anbeginn. Es hat sie wahrscheinlich schon in der Ursuppe gegeben und wir sind mit ihnen gemeinsam in unserer Evolution entstanden. Viren prägen einfach diesen Erdball“, erklärt er.

Forschende gehen von über 100 Millionen verschiedener Virustypen aus. Viele davon kennt man noch gar nicht. In unseren Körperzellen tragen wir sehr viel Virusmaterial, erklärt Ulrich Elling: „Dieses Virusmaterial hat Gene neu zusammengesetzt. Teilweise verwenden wir sogar Gene aus früheren Viren für uns selbst, um zu funktionieren“.

Das neue Coronavirus-Modell am NHM mit enthusiasmiertem Forscher
Naturhistorisches Museum Wien, Alice Schumacher
Das neue Coronavirus-Modell am NHM mit Ulrich Elling

Viren wie USB-Sticks

Viren selbst bewegen sich an der Grenze zwischen Leben und Nicht-Leben. Am besten könne man sie sich wie einen USB-Stick vorstellen. Die äußere Form hat verschiedene Farben und Formen, doch der Stick selbst funktioniert immer gleich.

Der USB-Stick habe eine stabile Hülle, genau wie Viren, damit sie nicht kaputt gehen. Innen drin ist ein Datenträger. Während der USB-Stick mit einem Adapter in einen Computer gesteckt wird und somit durch die Datenübertragung „zum Leben erwacht“, spiele ein Virus die Information eben in eine Zelle ein.

Forschung während der Pandemie

Durch die CoV-Pandemie habe man viele der Dynamiken zwischen Viren und Menschen erstmals zeitnah beobachten können. „Es war die erste Pandemie, die wir wirklich mit modernen molekularbiologischen Methoden live verfolgen konnten“, so Elling.

Man habe jede Mutation beobachtet und auch den Aufbau vom Immunität und wie das Virus diese wieder umgeht. „Da lernen wir wahnsinnig viel über dieses Wechselspiel zwischen unserem Immunsystem und dem Virus“, so Elling.

Zugleich entstehen immer neue Mutationen und letztendlich wisse man nicht, wie sich das Coronavirus weiterentwicklt. Anlass zur Sorge sei das aber nicht, denn in der letzten Vergangenheit hätten neue Varianten nicht mehr zu neuen großen Krankheitswellen geführt.

Forschungsstand und Ausblick

Im NHM geht es aber nicht nur ums Coronavirus, sondern um das Thema Viren generell. Von ihrem Ursprung und Vorkommen bis zur Frage, warum machen manche Viren krank machen und Pandemien auslösen können, während der Großteil der Viren wichtig für die Gesundheit von Mensch und Tier ist. Oder wie Viren helfen können, neue Therapien gegen Krebs zu entwickeln.

Die Station „Das Virus und wir“ entstand in Zusammenarbeit zwischen dem NHM, der Medizinischen Universität Wien und dem IMBA.