Plastikmüll im Meer
The Ocean Cleanup
The Ocean Cleanup
Umwelt

Auf dem Meer schwimmt mehr Plastik als gedacht

Auf den Weltmeeren schwimmen zwei Millionen Tonnen Plastik an der Oberfläche – deutlich mehr als bisher angenommen. Und das Plastik bleibt dort auch länger als bisher gedacht, berichtet ein deutsch-niederländisches Forschungsteam.

Dass die aktuelle, im Fachjournal „Nature Geoscience“ erschienene Studie von einer viel größeren Belastung der Meere ausgeht als bisher angenommen, liege nicht direkt an der jährlichen Neuverschmutzung – die betrage nämlich etwa 500.000 Tonnen und sei damit um mindestens eine Größenordnung geringer als bisher angenommen. Laut Studie ist vielmehr die Verweildauer ausschlaggebend.

Während Fachleute bisher davon ausgingen, dass sich – nach einem kompletten Stopp des Plastikeintrags – innerhalb von zwei Jahren fast das gesamte Plastik von der Meeresoberfläche absenken würde, widerspricht das aktuelle Modell. Demnach wären in dieser Zeit gerade einmal zehn Prozent des Meeresplastiks abgesunken – der Großteil verbleibt an der Oberfläche. Insgesamt schätzt das Team um Erik van Sebille von der Universität Utrecht, dass aktuell 3,2 Millionen Tonnen Plastik in den Weltmeeren schwimmen – der Löwenanteil davon auf der Oberfläche.

Verfeinerte Modellierung

Die Fachleute errechneten ein komplexes 3-D-Modell, in das mehr als 20.000 Messungen miteinflossen – nach Eigenangaben so viele wie noch nie für so eine Arbeit. Das Modell zieht die neuesten Erkenntnisse zu Plastiksenken im Meer mit ein. Darunter fallen Prozesse wie die vertikale Durchmischung im Wasser, das Stranden von Plastikteilchen oder das sogenannte Biofouling, also das Absinken infolge eines Bewuchses mit Algen oder anderen Lebewesen. Außerdem kombiniert das Modell Daten aus verschiedenen Messmethoden. Die Methode der Wahl beeinflusst nämlich die Daten: Mit speziellen Netzen werden besonders die ganz kleinen, bei Beobachtungen mit freiem Auge hingegen vor allem die großen Plastikteile erfasst.

Größere Partikel haben in der Regel auch eine größere Masse, kommen aber seltener vor. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit, sie zu erfassen, geringer – was als Folge großangelegte Schätzungen verfälschen kann. Das wurde jedoch in der aktuellen Studie berücksichtigt, und so konnten Partikel von 0,1 Millimeter bis 1,6 Meter Größe in die Forschung miteinfließen.

Gängige Plastiktypen nicht berücksichtigt

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Insgesamt befindet sich rund 60 Prozent der Plastikmasse in den ersten Metern unter der Meeresoberfläche, etwa ein Drittel in den Tiefen der Ozeane und etwas mehr als ein Prozent an den Stränden. Die Studie fokussiert auf solche Plastiktypen, die im Wasser schwimmen, also eine geringere Dichte haben als Meerwasser. Polymere von höherer Dichte wie beispielsweise PVC oder PET sind davon jedoch ausgenommen, obwohl sie 35 bis 40 Prozent des Meeresplastiks ausmachen.

„Das könnte zum einen den berechneten Gesamteintrag erhöhen, aber zum anderen auch die beschriebene Aufteilung von Plastik auf verschiedene Bereiche wie Meeresoberfläche, Strände und Meeresboden beeinflussen“, erklärt Tiefseeökologin Melanie Bergmann, die am Alfred-Wegener-Institut zu Plastikmüll forscht.

Cleanups: Fachleute befürchten Greenwashing

Es stellte sich heraus, dass 95 Prozent der Masse von Plastikteilen stammen, die über 25 Millimeter groß sind. Mikroplastik ist zwar weitaus häufiger, aber für die Gesamtmasse weniger ausschlaggebend. Das 3-D-Modell zeigt außerdem, dass besonders kleine Partikel (kleiner als ein Millimeter) weniger an der Meeresoberfläche befinden, sondern eher in den Tiefen der Ozeane.

Dass vor allem größere Plastikteile im Meer schwimmen, klingt nach guten Nachrichten für Projekte des Ocean Cleanup, die Plastik aus den Meeren entfernen wollen. Ob das ein sinnvoller Ansatz ist oder möglicherweise Greenwashing durch Plastikproduzenten, die dadurch ihr eigenes Geschäftsmodell rechtfertigen wollen, darüber ist sich die Fachwelt uneins.

„Wenn sogenannte Cleanup-Systeme im nötigen Maßstab im Ozean eingesetzt würden, würden die meisten von ihnen aktuell zu viele CO2-Emissionen und Sterblichkeit der mitgefangenen Tiere verursachen, statt ökologische Probleme zu lösen“, so Melanie Bergmann. Christian Schmidt, Hydrogeologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, ergänzt: „Ich halte Cleanup-Aktionen im Meer für sinnlos. Die Ressourcen wären an der Quelle viel besser eingesetzt. Die Vermeidung von Abfall – zum Beispiel durch die Reduzierung von Einwegplastik und Abfallmanagement – haben die höchste Priorität.“