Überflutung der Dornbirner Ach in Vorarlberg
APA/Dietmar Stiplovsek
APA/Dietmar Stiplovsek
Studie

Wie Megafluten vorhergesagt werden können

Unter extremen Hochwässern oder Megafluten versteht man Ereignisse mit zumindest doppelt so hohen Pegelständen, wie ein „normales“ Hochwasser in einer Region erreicht. Ein Team der Technischen Universität (TU) Wien zeigt nun, wie solche „überraschenden“ Fluten besser eingeschätzt werden können.

In Österreich ist extremes Hochwasser etwa 2002 am Kamp eingetreten. Im deutschen Ahrtal forderte ein Ausnahmeereignis im Sommer 2021 rund 200 Todesopfern. Der Umgang mit solchen Ereignissen und den Möglichkeiten zur Vorbereitung darauf – auch im Angesicht des virulenter werdenden Klimawandels mit der tendenziellen Zunahme von Extremwetterereignissen – ist in der Folge stärker in den Fokus gerückt.

Als „Megaflood“ bezeichnet man ein Hochwasser, das mehr als doppelt so groß ausfällt wie alle anderen Hochwässer in einer Region in den vergangenen 150 Jahren, so der Vorstand des Instituts für Wasserbau und Ingenieurhydrologie der Technischen Universität (TU) Wien, Günter Blöschl, im Gespräch mit der APA. Letztlich seien dies Ereignisse, die ortsansässige Personen in der Regel für unmöglich halten – bis sie eintreten. Das Kamp-Hochwasser von 2002 in Niederösterreich ist ein typisches Beispiel dafür.

Daten von rund 8.000 Messstationen

Das Forschungsteam um Blöschl und Studienerstautorin Miriam Bertola hat sich dem Thema nun systematisch angenommen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Europa trugen Daten von rund 8.000 Messstationen am gesamten Kontinent aus den Jahren 1810 bis 2021 zusammen und ließen sie in ihre neue Analysen einfließen. Darin identifizierten sie immerhin 510 solcher massiver Überschwemmungsereignisse.

Überschwemmtes Stadtgebiet in Hallein im Juli 2021
APA/VOGL-PERSPEKTIVE.AT/ MIKE VOGL
Überschwemmtes Ortsgebiet in Hallein (Salzburg) im Juli 2021

Die Grundaussage der Studie, die nun im Fachjournal „Nature Geoscience“ veröffentlicht wurde, ist laut Blöschl: „So überraschend sind ‚Megafloods‘ nicht, wenn man über den eigenen Horizont hinausblickt und auch andere Regionen anschaut“. Wichtig sei hier jedoch „nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen“ – also darauf zu achten, dass man von Gebieten auf andere schließt, wo tatsächlich ähnliche Gegebenheiten herrschen. Zur Situation am Kamp gibt es etwa in einem Gebiet in Rumänien sehr viele Parallelen.

Beim Kamp ist es so, dass ein Hochwasser bei einer Verdoppelung der Niederschlagsmenge gleich fünf Mal so hoch ausfallen kann. Das liegt an den sandigen Böden der Umgebung im Waldviertel, die zwar recht viel Wasser aufnehmen können, wenn sie aber einmal gesättigt sind, die Pegel sehr schnell ansteigen lassen. Blöschl: „Das ist nicht überall so. In Vorarlberg ist bei doppelt so viel Regen das Hochwasser nur 50 Prozent größer.“

Den Blick erweitern

Auf Basis des neuen Datensatzes kann man nun europaweit nach Fällen suchen, aus denen man für vergleichbare Regionen lernen kann. So lasse sich abschätzen, „was die Natur so kann, wenn es extrem wird“, so der Hydrologe. Die Forscher sprechen in ihrer Arbeit von mehr als 95 Prozent der Megafluten, für die sich vergleichbare, historische Hochwässer woanders in Europa fanden. Diese Informationen seien weniger für Echtzeitvorhersagen von Hochwässern, als für längerfristige Planungen interessant.

Das mit dem Kampgebiet durchaus vergleichbare Ahrtal hätte so vielleicht aus den Ereignissen des Jahres 2002 in Österreich oder ähnlichen Vorkommnissen in Rumänien etwas lernen können. Dazu brauche es aber eben den überregionalen Blick auf die Dinge. Allerdings ist das im Hochwasserschutz behörden- und verwaltungsseitig vielerorts keineswegs so vorgesehen, so der Hydrologe: „Da an Hochwässer in Rumänien oder sonst wo im Ausland zu denken, kommt eigentlich nicht so in den Sinn.“

Man sollte sich hier in Zukunft daher „großflächiger orientieren“, was in Zeiten von „Big Data“ auch immer einfacher werde. Dazu komme der wichtige Punkt der Bewusstseinsbildung – auch in den Köpfen der Menschen, die an die Möglichkeit solcher und noch größerer Extremereignisse denken sollten, um sich gegebenenfalls anzupassen, so Blöschl. Auf der technischen Seite gehe es darum, eine gute Datenbasis zusammenzubekommen, sie weiter zu erhalten und zu pflegen, um bauliche Maßnahmen, Evakuierungspläne und das Wechselspiel zwischen der Gesellschaft und Hochwassergefahren insgesamt zu verbessern.