Erbgutveränderung

Weltweit erste Therapie mit Genschere zugelassen

In Großbritannien ist weltweit erstmals eine auf der Genschere CRISPR basierende Gentherapie zugelassen worden. Die britische Arzneimittelbehörde MHRA gab grünes Licht für die bedingte Marktzulassung eines Medikaments zur Behandlung von zwei Bluterkrankungen: der Sichelzellenanämie und der Beta-Thalassämie.

Die Gentherapie „exa-cel“ (Markenname „Casgevy“) ist somit das erste zugelassene Medikament (für Patienten ab zwölf Jahren), das die Genschere CRISPR zur gezielten Erbgut-Veränderung verwendet. Diese brachte ihren Entdeckerinnen Emanuelle Charpentier und Jennifer Doudna 2020 den Chemie-Nobelpreis ein. Mit dem Verfahren kann DNA gezielt geschnitten und verändert werden; Gene können eingefügt, entfernt oder ausgeschaltet werden. Das neue Medikament soll Betroffene von den schwächenden und schmerzhaften Auswirkungen der Bluterkrankungen befreien.

Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat für die Sichelzellanämie ebenfalls eine baldige Entscheidung (8. Dezember) angekündigt. Über den Einsatz der Therapie gegen die Beta-Thalassämie soll im Frühjahr 2024 entschieden werden. Bei der europäischen EMA läuft derzeit noch ein Bewertungsverfahren für exa-cel.

Keine Sicherheitsbedenken

Die Sichelzellenanämie und die Beta-Thalassämie sind erbliche genetische Erkrankungen, die durch Fehler in den Genen für Hämoglobin verursacht werden, das von den roten Blutkörperchen für den Sauerstofftransport im Körper verwendet wird. Bei Menschen mit Beta-Thalassämie kann der Gendefekt zu schwerer Blutarmut führen. Die Patienten benötigen häufig regelmäßige Bluttransfusionen sowie lebenslang Injektionen und Medikamente.

„Sowohl die Sichelzellkrankheit als auch die Beta-Thalassämie sind schmerzhafte, lebenslange Erkrankungen, die in einigen Fällen tödlich verlaufen können“, erklärte MHRA-Interimsdirektor Julian Beach. In klinischen Studien wurde festgestellt, dass Casgevy bei der Mehrheit der Teilnehmer mit Sichelzellkrankheit und transfusionsabhängiger β-Thalassämie die gesunde Hämoglobinproduktion wiederherstellt und die Krankheitssymptome lindert. Nach Angaben der MHR wurden während der Untersuchungen keine wesentlichen Sicherheitsbedenken festgestellt, die Sicherheit des Mittels werde von der Behörde genau überwacht.

Erste Anwendung

Bei der Therapie werden Stammzellen aus dem Knochenmark der Patienten entnommen und das fehlerhafte Gen im Labor so verändert, dass der Körper funktionierendes Hämoglobin produzieren kann. Anschließend werden die veränderten Zellen dem Patienten über eine Infusion wieder zugeführt. Die in den USA ansässigen Hersteller der Therapie, Vertex Pharmaceuticals und CRISPR Therapeutics, begrüßten die Zulassung. „Ich hoffe, dass dies die erste von vielen Anwendungen dieser mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Technologie ist, die Patienten mit schweren Krankheiten zugute kommt“, erklärte CRISPR-Vorstandschef Samarth Kulkarni.

Noch Hürden

Unabhängige vom deutschen Science Media Center befragte Experten reagieren grundsätzlich positiv auf die Zulassung. Gleichzeitig weise sie auch auf die Hürden der neuartigen Behandlung hin. So wisse man etwa noch zu wenig über die langfristige Wirkung, sie könnte auch über die Jahre nachlassen, meint etwa Joachim Kunz vom Universitätsklinikum Heidelberg: „Die aktuellen klinischen Studien zur CRISPR-Therapie sind vielversprechend, aber selbst die zuerst behandelten Patienten wurden erst etwa vier Jahre nachbeobachtet." Außerdem ist die Therapie recht aufwendig, vor der eigentlichen Behandlung müssen sich Patienten und Patientinnen einer intensiven Chemotherapie unterziehen.

Kunz gibt auch zu bedenken, dass das Schneiden mit der Genschere im schlimmsten Fall unerwünschte Schädigungen des Erbguts provozieren könnte, wie man sie von Krebszellen kennt. Bis jetzt sei das aber nicht passiert. „Die Gentherapie mittels CRISPR ist trotz ihrer Limitationen hoch willkommen, weil aktuell für nur rund 20 Prozent der Patienten mit Sichelzellkrankheit ein geeigneter Stammzellspender für eine Transplantation zur Verfügung steht", betont Kunz. Die Kosten der CRISPR-Therapie werden aber die Anwendung beschränken. Die Rede ist von 1,5 bis zwei Millionen Euro pro Patient.