Die lybische Stadt Darna nach der Flut
AP/Jamal Alkomaty
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Klima-Kommunikation

Unsicherheiten ansprechen am besten

Wie stark trägt der Klimawandel zu Überschwemmungen und Dürren bei? Die wissenschaftliche Antwort auf diese Frage ist mit großen Unsicherheiten verbunden, die leicht missverstanden werden können. Diese Unsicherheiten offen anzusprechen ist dennoch die beste Kommunikationsstrategie, sagen Fachleute.

Beispiel Libyen: Mitte September ist es dort infolge eines schweren Sturmtiefs mit heftigen Regenfällen zu schweren Überschwemmungen gekommen, mehrere tausende Menschen starben. Ein Forschungsteam berichtete danach, dass ein solches Ereignis durch die aktuelle Klimaerwärmung in Libyen „um bis zu 50 Mal wahrscheinlicher geworden ist“ – aber auch, dass „die Unsicherheit dieser Schätzungen hoch sind und die Möglichkeit beinhaltet, dass es keine nachweisbare Veränderung gibt“.

Attributionsforschung fasst Klimaeinfluss in Zahlen

Diese Aussagen stammen von einem Team der Attributionsforschung – jenem noch jungen Bereich der Klimaforschung, der versucht den Einfluss der Klimaerwärmung auf Extremwetter in Zahlen zu fassen. Er vergleicht in Modellen das Wetter, wie es in einer Welt ohne Klimaerwärmung stattgefunden hätte mit dem Wetter in der erwärmten Welt. Bei Hitzewellen ist die Datenlage mittlerweile ziemlich eindeutig – ihre Häufigkeit nimmt durch den Klimawandel nachweislich zu.

Ist die Datenlage schlecht oder ein Ereignis sehr regional, sind die Unsicherheiten aber größer – wie beispielsweise im Fall von Libyen. „Das war ein Ereignis, wo wir uns vielleicht früher gar nicht herangetraut hätten", erklärt der Attributionsforscher Karsten Haustein von der Universität Leipzig. „Aber ist es nötig, sich solche Fragen gar nicht zu stellen, nur weil die Unsicherheiten so groß sind?“, so Haustein bei einem Gespräch des Science Media Center Deutschland.

Die lybische Stadt Darna nach der Flut
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Die lybische Stadt Darna nach der Flut

Die Methode, die verwendet wurde, sei wissenschaftlich geprüft und bei Extremwetter wie Hitze auch sehr zuverlässig, betont der Forscher. Sind die Unsicherheiten bei bestimmten Fragen größer, wie im Falle Libyens, müsse man diese Unsicherheiten aber unbedingt mitkommunizieren. „Das den Leuten nicht mitzugeben, ist der größere Fehler, als umgekehrt zu sagen: Wir können nicht sagen, was passiert ist, weil die Unsicherheit so groß ist.“

Wissenschaftliche Modelle begrenzt

Wissenschaftliche Modelle beruhen auf Annahmen und haben daher auch Grenzen, was ihre Aussagekraft betrifft. Sagt man das dazu, würden Menschen das positiv aufnehmen, empfiehlt die Umweltpsychologin Astrid Kause von der Lephana Universität Lüneburg. Ebenso sei es ratsam zu betonen, „dass sich Ratschläge aus der Wissenschaft aufgrund dieser Unsicherheiten auch wieder ändern können – also vermitteln, dass sich die Wissenschaft Mühe gibt und an einer Frage ‚dran bleibt‘, aber dass die Empfehlungen in ein paar Wochen oder ein paar Jahren ganz anders sein können.“

Unsicherheit gebe es nicht nur in der Forschung, sie entstehe auch, wenn man Ergebnisse nicht verstehe, sagt Kause. Denn was heißt das konkret, „ein Ereignis wird 50-Mal wahrscheinlicher“? Man müsse versuchen, die Statistik hinter der Forschung zu übersetzen – also lieber absolute Häufigkeiten oder Zahlen angeben und über Zeiträume vergleichen: „Das sind Formate, die Leute sehr viel einfacher verstehen“, so Kause.

Infrastruktur oft stärker verantwortlich als Klimawandel

Man dürfe auch nicht dem Klimawandel allein die Schuld an einer Katastrophe geben, ergänzt Karsten Haustein. Der Großteil der Schäden etwa in Libyen sei dadurch erklärbar, dass die Infrastruktur nicht auf diese Wassermengen vorbereitet war. „Aber es braucht grundlegend das Bewusstsein dafür, dass Wettergefahren bei uns nicht etwas sind, was einfach so vorbeigeht, sondern wir haben das als essenziellen Faktor im Alltag mitzuberücksichtigen.“

Damit dieses Bewusstsein für Klimagefahren entsteht, müsse man Ergebnisse nicht zuspitzen, betont der Klimaforscher. Vielmehr müsse man sie mitsamt ihren Unsicherheiten kommunizieren und mitsamt der Lösungen, die es ebenso gebe. Die Umweltpsychologin Astrid Kause pflichtet dem bei: „Zuzuspitzen ist eine Möglichkeit, das Feld denjenigen zu überlassen, die einen angreifen wollen und sagen: Ja, aber so schlimm wird es doch gar nicht, es ist doch gar nicht so heiß draußen, es ist doch gar keine Flut gekommen. Und das halte ich für brandgefährlich in Bezug auf die Glaubwürdigkeit der Klimawissenschaften.“