Französische Künstler, die sich aneinander gekettet haben
AFP – NICOLAS TUCAT
AFP – NICOLAS TUCAT
Universitäten

Kettenverträge: Novellierung der Novelle gefordert

Mit der Novelle des Universitätsgesetzes 2021 hätte sich auch die Situation jener Universitätsangehörigen verbessern sollen, die mit Kettenverträgen befristet angestellt sind. Doch die Bilanz nach zwei Jahren ist aus Sicht der Betroffenen alles andere als rosig – sie fordern eine Novellierung der Novelle.

Mit der Novellierung von Paragraf 109 des Universitätsgesetzes können seitdem wissenschaftlich und künstlerisch tätige Personen nur mehr maximal acht Jahre befristet an derselben Universität arbeiten. Dann sollten sie fix angestellt werden oder müssen an eine andere (inter)nationale Universität ausweichen.

“Es brodelt“

Nun ist bereits das fünfte Semester nach Einführung der Regelung ins Land gezogen, aber die Zwischenbilanz ist aus Sicht der Betroffenen alles andere als befriedigend. Denn statt der erwarteten Verbesserung der sozialen Lage der Betroffenen und ihrer Karriereentwicklung trat eine Verschlechterung ein, sagt Stefan Pühringer, Sozioökonom an der Johannes Kepler Universität Linz und Mitglied des “Netzwerks Unterbau Wissenschaft“. „Diese Gesetzesänderung hat ein massives Brodeln unter den Beschäftigten ausgelöst.“

Das „Netzwerk Unterbau Wissenschaft“ versteht sich als Plattform und Fundament des universitären Betriebs. Es wurde gegründet, weil der Unmut vieler Universitätsangestellten, die befristet arbeiten, ständig wuchs. Auch die Lektoren und Lektorinnen, die an den Universitäten ausschließlich für die Lehre zuständig sind, formierten sich zu der Gruppe „IG LektorInnen und WissensarbeiterInnen“.

Vorschläge mit Änderungen im Parlament

Das Fass kochte im März 2023 über, als Tausende Jungwissenschaftler und Mittelbau- Angestellte österreichweit auf die Straße gingen und gegen einen „Super-Gau im Mittelbau“ demonstrierten. Der Paragraf 109 soll nach seiner Novellierung novelliert werden, so die Forderung. Denn er habe ausdrückliche Schwächen und berge Ungerechtigkeiten in sich, sagt Yvonne Völkl, Romanistin an der TU-Graz und ebenfalls im Netzwerk Unterbau Wissenschaft aktiv. Zwischen Frühjahr und Winter habe das Netzwerk gemeinsam mit anderen einen Vorschlagskatalog für eine bessere Universität als Grundlage für einen Entschließungsantrag im Parlament ausgearbeitet.

Am 20. September 2023 brachte die sozialdemokratische Nationalratsabgeordnete Andrea Kuntzl diesen Entschließungsantrag zur Korrektur des §109 UG im Wissenschaftsausschuss des österreichischen Parlaments ein. Angelpunkt sind die Elternteilzeiten, die von manchen Universitäten in die Kette eingerechnet werden. Der Antrag argumentiert, dass „… die Novellierung des §109 UG diesbezüglich fehlerhaft ist oder fehlerhaft umgesetzt wird. Da eben keine weiteren Dauerstellen geschaffen werden, bedeutet diese strenge Auslegung der Bestimmung de facto eine Diskriminierung von Frauen, die deutlich mehr Elternkarenzzeiten als Männer in Anspruch nehmen.“

Kein Kommentar aus dem Ministerium

Auch bei der Anrechnung von Studienassistenzen in die Kette der Dienstverhältnisse herrsche Unklarheit, so der Antrag weiter, denn: „Es gibt zwei Formen dieser Anstellungsvariante, nämlich Projekt-Studienassisten:innen aus Drittmitteln und Projekt-Studienassisten:innen, die über die Globalbudgets finanziert werden.“

Der Effekt? Am 3.Oktober 2023 wurde der Entschließungsantrag im parlamentarischen Wissenschaftsausschuss vertagt. Trotz vieler Gespräche, bleibt also alles wie gehabt. Der zuständige Sektionschef im Bildungsministerium, Elmar Pichl, sieht keinen Grund für eine Abänderung. 2021 sei die Novelle des Paragrafen 109 vom Nationalrat beschlossen worden, so Pichl gegenüber Ö1. „Deshalb werden wir die Entwicklungen, auch die reale Praxis an den Universitäten sehr genau monitoren und auch weiter diskutieren“. Wann und welcher Form eine Evaluierung stattfinden könnte, wollte der Sektionschef aber nicht kommentieren.

Uniko kommt mit aktueller Regelung „gut zurecht“

Die seit 1. Oktober 2023 für das Personal in der Universitätenkonferenz (Uniko) zuständige Vizerektorin der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien, Gerda Müller, bemerkt dazu, „dass gewisse Dinge im Personalbereich nicht in ein, zwei, drei Jahren geändert werden könnten“. Mit der derzeitigen Regelung könne man gut zurechtkommen, schließlich sei sie auch mit der Gewerkschaft diskutiert worden. Der rechtliche Rahmen wurde mit der Novellierung des Paragrafen 109 fixiert und wie es scheint, soll er einstweilen auch so bleiben.

Auch im Nachbarland Deutschland sitzen die Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen auf Nadeln. Unter „#IchBinHanna“ äußern sich Betroffene zu ihrer Situation im universitären Wissenschaftsbetrieb. Mit dem Unterschied: Sie warten noch auf ein neues Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Im Jahr 2028 ist hingegen in Österreich für die meisten jetzt befristet Universitätsangestellten die Uhr abgelaufen – es sei denn sie werden fix angestellt.