Osterpinze mit Eiern in der Mitte
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Nachhaltigkeit

So werden Osterpinze und Co. klimafreundlicher

Kärntner Reindling, Osterbrot oder -pinze: Vor Ostern wird besonders viel gebacken. Bäckereien verbrauchen generell viel Energie und sind deshalb wenig klimafreundlich. Wiener Fachleute arbeiten nun an einer „Bäckerei der Zukunft“, die deutlich energie- und klimaschonender bäckt.

Eine in Österreich lebende Person verzehrt pro Jahr im Schnitt 51,2 Kilogramm Backwaren. Dafür benötigen die rund 1.400 in Österreich gemeldeten gewerblichen Bäckereibetriebe reichlich Energie, im Schnitt laut Wirtschaftskammer pro Betrieb und Jahr 400 Megawattstunden . Ein durchschnittliches Bäckereigewerbe verbraucht damit jährlich so viel wie 110 Haushalte.

Durch einfach umzusetzende Maßnahmen im Arbeitsablauf will Lisa Staubmann, wissenschaftliche Leiterin des Projekts „Energy4Bakery“, diesen Verbrauch drastisch reduzieren. „Wir versuchen nicht, neue Infrastruktur anzuschaffen, sondern wir schauen uns die Gegebenheiten in den Klein- und Mittelunternehmen, mit denen wir arbeiten, vor Ort an“, so die Analytikerin von der Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung (VG) in Wien.

Halbfertig Lagern statt Tiefkühlen

Staubmann rechnet mit einer möglichen Einsparung von fast einem Drittel des derzeitigen Energieverbrauchs – was umgelegt einer Einsparung von rund 46.000 österreichischen Haushalten gleichkäme . Um das zu erreichen, sollen Betriebe zum Beispiel die Abwärme von Backöfen und Kühlschränken in Räume umleiten, um dort optimale Temperaturen für die Gärung von Sauerteigen zu erzeugen.

Lisa Staubman, Projektleiterin Energy4Bakery
Isabella Fresner
Lisa Staubmann, Projektleiterin Energy4Bakery

Der größte Energiefresser sei jedoch mit Abstand die Kühlung. Im Zuge des Projekts entwickelt Projektleiterin Staubmann mit ihrem Team ein „Frischbacksystem“, das Kühlprozesse ersetzen soll. „Das Brot wird am Vortag angeknetet und dann bis zur Krumenstabilität gebacken – also bei einer Kerntemperatur von ungefähr 92 Grad Celsius. Da ist es innen fertig gebacken, hat außen aber noch nicht die gewünschte Kruste.“

Könnte Nachtarbeit verringern

Diese halbfertig gebackenen Laibe können dann zwölf Stunden oder länger bei Raumtemperatur gelagert und zum Beispiel am nächsten Tag fertiggestellt werden. Die Betriebe sparen sich damit das Lagern des Teigs im Kühlschrank oder Tiefkühler und das Ankneten frühmorgens.

Somit könnte diese Methode auch den Arbeitsalltag in der Bäckerei erleichtern. „Ein großer Vorteil des Frischbacksystems ist, dass ich die Nachtarbeit in den Tag verschiebe. Wenn das zumindest mit einem Teil der Arbeit gelingt, macht das auch den Beruf des Bäckers interessanter“, sagt Christian Kummer, Geschäftsführer der VG.

Besser verdaulich und länger frisch

Das Frischbacksystem ist eine Art der Langzeitführung, die Backwaren nicht nur besser verträglich machen, sondern auch deren Haltbarkeit verlängern soll.

Christian Kummer, Geschäftsführer der VfG, mit frischem Brot
Isabella Fresner
Christian Kummer mit frischem Brot

Nicht zu verwechseln ist diese Zubereitungsart mit industriellen Aufbackprodukten, bei denen die Aktivität der Mikroorganismen durch Schockfrieren oder das Verpacken in Schutzatmosphäre gestoppt wird, so Staubmann. Im Frischbacksystem dürfen die Mikrobiota während der Lagerung quasi „weiterarbeiten“. Trotz dess zweimaligen Backen kann hier Energie gespart werden, ist sich die Expertin sicher, denn für den ersten Backdurchgang sollen Betriebe die Restwärme anderer Backwaren nutzen.

Enzyme verstehen

In der umgebauten Altbauwohnung im vierten Wiener Gemeindebezirk, die der VG als Büro und Labor dient, befindet sich im hintersten Raum eine kleine experimentelle Backstube. Hier werden in einem Etagenofen, wie er in Bäckereien üblich ist, Backexperimente durchgeführt, wobei die Ergebnisse aus den Laboruntersuchungen gleich in der Praxis getestet werden.

Christian Kummer schiebt Brot in den Backofen
Isabella Fresner
Christian Kummer schiebt Brot in den Backofen

Die Fachleute analysieren Backschritt für Backschritt, wie Energie gespart werden kann. Sie kombinieren Informationen zur Wasseraufnahme, zum Knetwiderstand und zur Dehnbarkeit mit Daten über die Enzyme, die den Sauerteig zum Gehen bringen. Über 500 Mikroorganismen, die dabei eine Rolle spielen, hat die VG bereits in Vorgängerprojekten identifiziert.

Die Fachleute identifizieren die Mikroorganismen, die in Abhängigkeit von der Temperatur im Sauerteig Milchsäure und Essigsäure bilden. Sie wollen das Zusammenspiel von Zeit, Temperatur und Enzymen verstehen und diese in einer Funktion festhalten, mit der Bäckerinnen und Bäcker arbeiten können. Grundsätzlich gilt: Je wärmer es ist, desto aktiver sind die Enzyme – und desto schneller geht der Teig.

„Sauerteigdatenbank“ soll Kunden versorgen

Um auch hier die Umgebungstemperaturen nutzen zu können, will das Team um Staubmann Mikroorganismen identifizieren, die schon bei geringeren Temperaturen fleißig die im Mehl enthaltenen Zucker vergären. Mit richtigen Kombination von Mikrobiota könnte man dann Sauerteige züchten, die jeweils bei der in den Bäckereien herrschenden Raumtemperatur gut gehen.

So eine „Sauerteigdatenbank“ hat die VG bereits eingerichtet – dort finden sich derzeit eher Kuriositäten wie Teige, die durch Mikroorganismen vergoren wurden, die ursprünglich auf Lärchen oder auf Kastanienpüree vorkommen. Mit dieser Datenbank wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler künftig Bäckereien mit maßgeschneiderten Sauerteigen versorgen – die man laut Kummer übrigens nicht nur für Brot, sondern ebenso gut für Pizza, Kaisersemmeln und den berühmten Kärtner Reindling einsetzen kann.

Verkostung der Versuchslaibe

Die Ergebnisse aus dem Backlabor werden einem Geruchs- und Geschmackstest unterzogen. „Wenn man in dem Bereich arbeitet, kann man anhand des Geschmacks sehr gut feststellen, wie hoch der Säuregehalt des Teigs ist“, erklärt Staubmann. Für die Dokumentation werden die Laibe auch sensorisch untersucht und fotografiert. Den gebackenen Überschuss darf sich die Mitarbeiterschaft mit nach Hause nehmen.

Frischgebackenes Brot
Isabella Fresner
Frischgebackenes Brot

Das Projekt ist im September 2023 gestartet, wird durch das Forschungsnetzwerk ACR (Austrian Cooperative Research) aus den Mitteln des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft gefördert und läuft insgesamt zwei Jahre. Als erstes Zwischenziel wurde im Jänner ein Fragebogen online gestellt, mit dem Bäckereibetriebe ihre derzeitige Energieeffizienz einschätzen können.

Nicht zuletzt die steigenden Energiekosten der Vorjahre, die unter den Bäckerinnen und Bäckern einen großen Aufschrei ausgelöst haben, motivierten das Team laut Staubmann zu dieser Forschung. „Wir möchten die Bäckereien unterstützen, weil ich glaube, dass Premiumgebäck einfach viel zu wenig Stellenwert hat. Uns ist wichtig, dass die Kunden wissen, wofür sie zahlen.“

Dieser Beitrag begleitet die Sendung „Ö1-Dimensionen Magazin“, 28. März 2024