Ein Mann mit Anzug und Krawatte wischt sich den Schweiß von der Stirn
APA/dpa/Frank Rumpenhorst
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Kommunikation

Wissenschaftsskepsis bremst Klimaschutz

Ausgedünnte Redaktionen, überlastete Forscherinnen und Forscher, Bildungslücken sowie massives Lobbying: Wissenschaftsskepsis hat viele Ursachen und bremst auch den Klimaschutz. Deshalb müsse an vielen Rädern gedreht werden, ist Helga Weisz vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) überzeugt.

Die österreichische Wissenschaftlerin nimmt am Montagabend an einem Symposium zu Nachhaltigkeit und Umbau der Wirtschaft sowie einer Diskussionsveranstaltung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zu dem Thema teil.

Komplexe Themen, die auf Wissenschaft beruhen

„Wir leben in einer Welt, die vielfältig von hochkomplexen technischen Bedingungen abhängig ist, die letztendlich alle auf Wissenschaft beruhen. Wenn es dafür kein Grundverständnis gibt, dann ist das ein großes Problem“, sagte Helga Weisz im Vorfeld der Veranstaltungen. Klimawandel und Klimaschutz seien sehr komplexe Sachverhalte, die beispielsweise nicht in eine mediale Landschaft passen, „wo man Dinge verkürzt, um Aufmerksamkeit buhlt und die Geschäftsmodelle in den vergangenen zwei Jahrzehnten erodiert sind“.

Es sei zu beobachten, dass die Etats für Wissenschaftsjournalismus in den Zeitungen sinken und damit auch die mediale Berichterstattung zu kurz komme. „Letztendlich kostet das Geld, aber dieses Geld ist gut investiert, genauso wie es in Bildung gut investiert ist“, erklärte die Expertin, die das FutureLab „Social Metabolism & Impacts“ am PIK leitet und zusammen mit Andrea Fronaschütz vom Österreichischen Gallup Institut das Thema bei der Veranstaltung am Montagabend in Wien beleuchten wird.

Massive Lobbying-Aktivitäten

Klimaschutz und damit einhergehend eine fundamentale Umstellung vieler wirtschaftlicher Bereiche, vor allem der Energiesysteme, bedeute auch „eine riesige Verlagerung von Vermögen und Gewinnchancen von einem Teil der Wirtschaft, der die vergangenen 100 Jahre davon extrem profitiert hat und damit politisch Einfluss nehmen kann, auf andere“.

Diese Verlagerung rufe massive Lobbying-Aktivitäten hervor, was wiederum viel zur Wissenschaftsskepsis beitrage. „Man muss klarstellen, dass wichtige Akteure ihr Geschäftsmodell verlieren und aus dieser Richtung großer Widerstand kommt, während viele andere und vor allem künftige Generationen davon profitieren werden“, so Weisz.

Einzelne Innovationen lösen – gar nichts

Kritisch sieht sie auch, wenn einzelne technische Lösungen in der Öffentlichkeit als Lösung des Klimaproblems präsentiert werden. Politiker würden sich gerne Innovationen herausgreifen und damit eine Botschaft verbinden: „Diese Botschaft lautet, dass sich für den Einzelnen gar nichts ändern muss. Wir stellen einfach die Technik um und alles geht so weiter wie bisher. Das ist natürlich vollkommen falsch und leitet in die Irre“, stellte Weisz klar.

Viele Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen würden sich damit beschäftigen, wie das ganze System im Hinblick auf Klimaschutz umgebaut werden muss, welche Komponenten eine Rolle spielen könnten, welche Technologien wann zur Verfügung stehen und wie viele Rohstoffe dafür gebraucht werden. „Das ist komplex, aber ich würde gerne sehen, dass das stärker kommuniziert wird. Die Konzentration auf einzelne technische Lösungen ist irreführend“, meint die Expertin. Man könne das aber nicht allein den Wissenschaftern überstülpen, die ohnehin unter enormen Druck stehen würden, zu publizieren und Drittmittel zu akquirieren.

“Katastrophenmüdigkeit“

Klimaschutz habe in der öffentlichen Wahrnehmung manchmal Konjunktur und trete dann wieder in den Hintergrund. Es sei unmöglich, ein Thema immer ganz oben zu halten. „Jetzt haben wir Inflation und Krieg in der Ukraine und das ist Top-Priorität. Man könnte aber kommunizieren: Ja, die hohe Inflation gibt es und dann ist sie wieder weg, aber der Klimawandel geht nicht weg“, so Weisz. Auf der anderen Seite gebe es eine gewisse Müdigkeit in Bezug auf Katastrophenkommunikation. Deswegen müsse versucht werden, positive Bilder und Zukunftsvisionen zu zeichnen: Straßen mit Bäumen und spielenden Kindern statt zugeparkter Betonwüsten.