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metamorworks – stock.adobe.com
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Wissenschaft

Starke Meinung trübt eigenes Wissen

Klimakrise, Impfstoffe, Gentechnik – oft gibt es in der Bevölkerung sehr unterschiedliche Meinungen zu wissenschaftlichen Erkenntnissen, auch wenn diese eindeutig und gut belegt sind. Ein britisches Forschungsteam ging der Frage nach, warum das so ist, und stellte fest: Menschen mit stark ausgeprägter Meinung neigen dazu, das eigene Wissen zu überschätzen.

Die Forscherinnen und Forscher wollten herausfinden, ob Menschen, die glauben, Wissenschaft zu verstehen, dies auch tatsächlich tun. Für die Studie, die nun im Fachjournal „PLOS Biology“ veröffentlicht wurde, befragten sie über 2.000 Erwachsene zum Thema Gentechnik: Einerseits wurden die Personen zu ihrer Einstellung dazu befragt, andererseits zu ihrem fachlichen Wissen.

So sollten sie etwa angeben, wie sehr sie einer Aussage zustimmen, beispielsweise dem Satz: „Viele Behauptungen über die Vorteile der modernen Genwissenschaft sind stark übertrieben.“ Außerdem wurden Fragen gestellt, die darauf abzielten, wieviel Wissen zur Gentechnik die Person sich selbst zuschreibt, etwa: „Wenn Sie den Begriff DNA hören, wie bewerten Sie Ihr Verständnis davon, was der Begriff bedeutet?“

Fragen zu Gentechnik und Tomaten

Zu gestellten Richtig/Falsch-Fragen gehörte: „Durch den Verzehr einer gentechnisch veränderten Frucht könnten auch die Gene einer Person verändert werden“, „Alle Radioaktivität ist von Menschen gemacht“ und „Tomaten enthalten von Natur aus keine Gene, Gene sind nur in gentechnisch veränderten Tomaten zu finden“.

Die Studie zeigte, dass Menschen mit besonders stark ausgeprägten Meinungen – sowohl wissenschaftsfeindlich als auch unterstützend – ein sehr hohes Selbstvertrauen in das eigene Verständnis der Materie haben. Stehen Menschen wissenschaftlichen Erkenntnissen neutral gegenüber, sind sie in Bezug auf das eigene Wissen hingegen weniger selbstbewusst, so das Forschungsteam um die Neurowissenschaftlerin Cristina Fonseca von der britischen Genetics Society und Laurence Hurst, Professor für Evolutionäre Genetik an der Universität Bath.

„Tendenziell zu selbstsicher“

„Wir stellten fest, dass starke Einstellungen, sowohl für als auch gegen die Wissenschaft, durch ein starkes Selbstvertrauen in das Wissen über die Wissenschaft untermauert werden“, so Mitautor Hurst. Psychologisch ergebe das Sinn: Um eine starke Meinung zu haben, müsse man fest an sein Wissen über die grundlegenden Fakten glauben. Tatsächlich vorhanden ist dieses Basiswissen aber nicht zwingend: Wie die Analyse bestätigt, verfügen gerade jene, die sich am negativsten zu einem Forschungsbereich äußern, tendenziell über wenig Wissen zum Thema.

Besonders Menschen mit einer wissenschaftsfeindlichen Einstellung neigen demnach dazu, ihr Wissen größer einzuschätzen als es ist. Sie seien „tendenziell zu selbstsicher in Bezug auf das eigene Verständnis“, so Mitautorin Fonseca. Laut Studie ist es zumindest bei den gentechnisch veränderten Organismen nur eine sehr kleine Gruppe von etwa fünf Prozent, die extrem ablehnend eingestellt ist. Grundsätzlich verallgemeinern ließen sich die Ergebnisse nicht, so das Forschungsteam. Bei der Evolution zum Beispiel spielten religiöse Einstellungen eine große Rolle, bei der Klimakrise politische Positionen. Wie stark das subjektive Verständnis Anteil habe, sei bei solchen Themen noch zu klären.

Wissenschaftskommunikation neu denken

Die Ergebnisse der Studie könnten dazu beitragen, die Wissenschaftskommunikation zu verbessern. Einer verbreiteten Ansicht nach besteht diese nämlich in erster Linie aus der Weitergabe von Informationen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an die Öffentlichkeit.

Laut dem britischen Forschungsteam kann dieser Ansatz aber in einigen Fällen nach hinten losgehen. Vielmehr sei es notwendig, sich bei der Vermittlung von Wissenschaft auf die Abweichungen zwischen dem, was die Menschen wissen, und dem, was sie zu wissen glauben, zu konzentrieren.

Wolle man negative Einstellungen gegenüber der Wissenschaft abbauen, müsse man das, was Menschen über Wissenschaft zu wissen glauben, zerlegen und durch ein präziseres Verständnis ersetzen, so Anne Ferguson-Smith, Präsidentin der Genetics Society und Koautorin der Studie. Das sei womöglich die bessere Strategie für die Wissenschaftskommunikation, aber auch „eine ziemliche Herausforderung“.