Hand mit Handschuhe nimmt Blutprobe aus einem Set mit Blutproben
angellodeco – stock.adobe.com
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Long Covid

Forscher fanden Hinweise im Blut

Ein Schweizer Forschungsteam hat in den Blutproteinen von Long-Covid-Betroffenen ein Muster identifiziert. Das könnte künftig dabei helfen, Long Covid besser zu diagnostizieren und allenfalls auch gezielter zu behandeln.

Die Forscherinnen und Forscher der Universität und des Unispitals Zürich untersuchten dafür über 6.500 Proteine im Blutserum von 113 Corona-Infizierten und 39 gesunden Personen, wie aus der am Donnerstag im Fachjournal „Science“ veröffentlichten Studie hervorgeht.

Bei den Infizierten, von denen 40 Long Covid entwickelten, untersuchten sie das Blutmuster nach sechs und zwölf Monaten erneut. Dabei fanden sie im Blutserum der Long-Covid-Betroffenen ein bestimmtes Muster in Proteinen, die mit einer Dysregulation des sogenannten Komplementsystem zusammenhängen.

Das Komplementsystem ist ein Teil des angeborenen Immunsystems und hilft normalerweise dabei, Infektionen zu bekämpfen und beschädigte und infizierte Körperzellen zu entfernen. „Bei den Patientinnen und Patienten mit Long-Covid kehrt das Komplementsystem nicht wie es sollte wieder in den Ruhezustand zurück“, so Studienleiter Onur Boyman, Direktor der Klinik für Immunologie am Universitätsspital Zürich.

„Weiteres Puzzleteil gefunden“

Zudem zeigten die Long-Covid-Patientinnen und -Patienten erhöhte Blutwerte für Schäden an verschiedenen Körperzellen, einschließlich roter Blutkörperchen, Blutplättchen und Blutgefäßen. „Bleibt das Komplementsystem aktiviert, geht es auf gesunde Zellen in verschiedenen Organen los und schädigt oder zerstört sie“, so der Immunologe. „Mit dieser Erkenntnis haben wir ein weitere Puzzleteil zu Long Covid gefunden, das auch erklärt, warum diese Erkrankung zu so vielfältigen Symptomen führen kann.“

Die neuen Erkenntnisse könnten laut dem Immunologen aber nicht nur zum besseren Verständnis der Krankheit beitragen. Die Forschenden konnten aktives Long Covid anhand des Proteinmusters im Blut entdecken. Dies könnte man sich laut Boyman für die Diagnose von Long Covid zunutze machen.

Für Alltag im Spital zu komplex

Allerdings nutzten die Forschenden für die Entdeckung der Blutmarker ein komplexes Verfahren, das laut Boyman zur Anwendung im Spitalalltag nicht gebraucht werden kann. Ein solcher Test wäre aber laut dem Immunologen äußerst nützlich, etwa um Long Covid von anderen Erkrankungen, die zu ähnlichen Symptomen führen, zu unterscheiden.

Außerdem könnte man laut dem Studienleiter allenfalls auf Basis der Erkenntnisse zur Rolle des Komplementsystems eine Behandlung von Long Covid entwickeln: „Es gibt bereits Firmen, die Komplement-Inhibitoren entwickeln.“ Diese hemmen die Aktivität bestimmter Komponenten des Komplement-Systems. Genutzt werden sie zur Behandlung bestimmter Autoimmunerkrankungen.

Weitere Studien notwendig

Einige an der Studie nicht beteiligte Forscherinnen und Forscher warnen aber vor voreiligen Schlüssen. Es sei noch zu früh, direkte therapeutische Konzepte aus den neuen Erkenntnissen abzuleiten oder gar direkt in Therapiestudien einzusteigen, sagte etwa Gabor Petzold vom Universitätsklinikum Bonn gegenüber dem deutschen Science Media Center.

„Zwar gibt es für andere Erkrankungen bereits zugelassene Inhibitoren des Komplementsystems, jedoch müssen zunächst weitere Studien unternommen werden, um die hier gewonnenen Erkenntnisse in größeren Patientengruppen zu untersuchen, die dann auch die ausgeprägte Unterschiedlichkeit von Long Covid abbilden“, so Petzold.