Viele Infektionen, wenige Impfungen

Während die Coronavirus-Welle so hoch ist wie nie, hat bisher nur jeder Zwanzigste die Möglichkeit zur Auffrischung mit dem neuen angepassten Impfstoff genutzt. Mögliche Ursachen für den geringen Zulauf sieht die Immunologin Ursula Wiedermann-Schmidt von der MedUni Wien auch in der Kommunikation zur Impfung.

Wie reagiert das Immunsystem – auf die Infektion mit dem Coronavirus und auf die Impfung: Diese Abläufe konnte man während der Pandemie in allen Altersgruppen genau untersuchen – vom jungen Erwachsenen bis hin zu chronisch kranken und älteren Personen, sagt Ursula Wiedermann-Schmidt.

Das seien „sehr entscheidende Erkenntnisse“ gewesen, so die Leiterin des Zentrums für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der MedUni Wien – auch für die Entwicklung der Impfempfehlungen, weil sich gezeigt habe, dass man diese diverser gestalten muss, je nachdem, wie alt oder wie gesund jemand ist.

Junge bauen schneller Immunität auf

Konkret heiße das: Hat ein junger, gesunder Mensch drei bis vier Mal Kontakt mit dem Coronavirus gehabt – durch Infektion oder durch Impfung – dann hat er eine relativ stabile Immunität aufgebaut. Dadurch verlaufe eine mögliche Infektion mit der jetzigen Variante relativ gesehen milder. Anders sieht es bei älteren und chronisch kranken Menschen aus: Bei ihnen baue sich eine Langzeitimmunität nicht so leicht auf, so die Medizinerin, deshalb sei eine Impfung mit dem angepassten Impfstoff empfehlenswert.

Vor allem aber habe man eines gesehen: Die Impfung regt zwar das Immunsystem an, sie kann die Besiedelung des Nasen-Rachen-Raumes mit dem Virus aber nicht verhindern. Die Abwehr an den Schleimhäuten ist oft nicht ausreichend. Erst die Kombination aus Impfung und Infektion erzeugt eine höhere Immunität. Diese sei bei älteren Personen, bei jenen mit Grunderkrankungen und auch bei Raucherinnen und Rauchern aber schlechter aufgebaut, so Wiedermann-Schmidt. Eine Infektion ist bei diesen Gruppen nach wie vor leichter möglich.

Wenig Zulauf zu angepasstem Impfstoff

Unterdessen haben sich bisher nur knapp 400.000 Personen in Österreich laut dem österreichischen Impf-Dashboard mit dem neuen angepassten Impfstoff auffrischen lassen – das ist nicht einmal jeder und jede Zwanzigste. Die Ursachen für den geringen Zulauf sieht Wiedermann-Schmidt auch in der Kommunikation zur Impfung: Einerseits sei von Anfang an eine gewisse falsche Erwartungshaltung damit verknüpft gewesen. Das betreffe auch die Kommunikation seitens der Wissenschaft.

Man habe sich erhofft, dass die Impfung die Infektion verhindern kann, und nicht nur den Schweregrad der Erkrankung. Dann habe sich mehr und mehr gezeigt, dass sich Menschen trotz Impfung infizieren. Das sei mit einer gewissen Enttäuschung einhergegangen, nach dem Motto: Wenn ich sowieso trotzdem krank werde, brauche ich mich nicht impfen lassen. Hier habe man zu schlecht herausgearbeitet, was man mit der Impfung erreichen kann, so die Medizinerin, nämlich dass man schwere Fälle, Lungenentzündungen und auch Long Covid verhindern – oder zumindest verringern kann.

„Falschmeldungen waren Problem“

Der zweite wesentliche Punkt war die Frage der Impfpflicht: Hier habe man deutlich gesehen, dass sich die Abkehr von der Impfung mit dieser Diskussion dramatisch verstärkt hat. Das dritte Problem sei schließlich, dass auf sozialen Medien sehr viele Falschmeldungen kursiert seien. Hier werde man versuchen, in Zukunft bessere Informationen zu liefern: Etwa durch die Möglichkeit, anonym in Chats Fragen stellen zu können – und kompetente Antworten zu erhalten.