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Monstar Studio – stock.adobe.com
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Erste Hinweise auf Biomarker für Long Covid

Weltweit läuft die Suche nach Biomarkern für Long Covid. Eine Studie aus den USA zeigt nun Hinweise, dass Hormone eine wesentliche Rolle für die Schwere der Erkrankung spielen könnten. Auch an der Medizinischen Universität Wien wird nach Ursachen gesucht, warum manche Menschen nach einer Coronavirus-Infektion monate- oder gar jahrelang anhaltend schwer krank sind.

Während Männer oft schwerer akut an Covid-19 erkranken, sind Frauen häufiger von Long Covid bzw. Post Covid betroffen. Hormone dürften dabei eine wesentliche Rolle spielen und könnten sich möglicherweise als Biomarker eignen, als Werte also, die mit relativ großer Genauigkeit aussagen, ob eine bestimmte Erkrankung vorliegt oder nicht. Ein Forschungsteam um die Immunologin Akiko Iwasaki von der Yale Universität berichtet in einer soeben im Fachjournal „Nature“ erschienen Studie von deutlich erniedrigten Cortisolwerten bei Long- und Post-Covid-Betroffenen.

Cortisol ist ein Steroidhormon, das bei Stress von den Nebennieren ausgeschüttet wird. Mehr als ein Jahr nach der Akutinfektion war die Cortisolproduktion bei den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern noch immer signifikant und dauerhaft vermindert.

Niedrige Cortisollevel kennt man auch von Patientinnen und Patienten, die an Myalgischer Enzephalomyelitis und Chronischem Fatigue Syndrom – kurz ME/CFS – leiden. Diese lange bekannte, aber noch immer wenig erforschte Erkrankung gilt als schwerste Ausprägung von Long Covid und Post Covid. Eine Therapie mit Hydrocortisonen kann bei ME/CFS-Betroffenen zu geringfügiger Milderung der Symptome führen. Weitere Forschung dazu sei aber jedenfalls notwendig, heißt es in der „Nature“-Studie.

Testosteronspiegel untersucht

Bei einer Konferenz, die kürzlich in Santa Fe in den USA stattfand, berichtete Iwasaki außerdem von einer möglichen Beteiligung bestimmter Geschlechtshormone an Long Covid. Verminderte Testosteronspiegel bei Männern, vor allem aber bei Frauen, stehen offenbar mit einer höheren Aktivierung von T-Zellen in Verbindung und führen zu stärkeren neurologischen Symptomen und einem allgemein ausgeprägteren Beschwerdebild, so ein vorläufiger Befund des Forschungsteams um Iwasaki.

Auf die Idee, die Testosteronspiegel bei Post-Covid-Patientinnen und -Patienten zu untersuchen, kam die US-Forschungsgruppe durch Schilderungen von Transpersonen, die an einem postakuten Infektionssyndrom litten. Sie berichteten von einer Besserung ihrer Symptome, solange sie sich einer Testosterontherapie unterziehen mussten. Diese ersten Ergebnisse in Zusammenhang mit Post Covid bedürfen noch weiterer Untersuchungen, so das Forschungsteam. Aber sie werfen jedenfalls die Frage auf, „ob eine Hormontherapie Betroffenen helfen könnte“.

Frauen häufiger betroffen

An der MedUni Wien forscht Immunologin Eva Untersmayr-Elsenhuber an Krankheitsmechanismen und möglichen Biomarkern für ME/CFS und Post-Covid. Dass Geschlechtshormone beide Erkrankungen beeinflussen können, ist für sie nicht ganz überraschend, aber spannend. Nicht ohne Grund seien Frauen häufiger von Post Covid betroffen als Männer: „Wir wissen, dass Geschlechtshormone – zum Beispiel Östrogene – einen direkten Einfluss auf Immunzellen haben. Der Körper braucht diese Fähigkeit, damit bei Frauen eine Schwangerschaft möglich ist.“

Und: „Es gibt sehr wohl auch Patientinnen, die berichten, dass sie nach einer Schwangerschaft, nach einer starken hormonellen Umstellung, ME/CFS entwickelt haben.“ Zu verstehen, wie genau Hormone bei Long Covid wirken, könnte jedenfalls bei der Suche nach spezifischen diagnostischen Biomarkern und Therapieoptionen helfen.

Auslöser nicht immer Virusinfekt

Untersmayr-Elsenhuber untersucht im CCCFS-Projekt an der MedUni Wien aber noch andere mögliche Ursachen für ME/CFS und Post Covid. Das sehr komplexe Erscheinungsbild der beiden Erkrankungen mache diese Arbeit nicht einfacher: „Weil es eben nicht bei jedem ein Virusinfekt ist, der diese Krankheit auslöst. Viele Patienten können sich erinnern, dass eine Infektion zu Beginn gestanden ist, aber eben nicht bei allen.“

Häufig findet man bei Betroffenen Immundefekte. „Bei anderen Patienten sehen wir hingegen allergieähnliche Beschwerden“, so die Immunologin. „Und bei einer weiteren Gruppe von Patienten konnten wir auch feststellen, dass hier wahrscheinlich Autoimmunität eine Rolle spielt – also eine Überreaktion des Immunsystems.“

Trotzdem bezweifelt Untersmayr-Elsenhuber, dass es sich bei ME/CFS und Post Covid um Autoimmunerkrankungen handelt – wie übrigens auch das US-Forschungsteam in „Nature“. Aber auch dazu brauche es noch genauere Untersuchungen. Hingegen dürften Herpesviren – speziell das Epstein-Barr-Virus – nicht nur an der Entstehung, sondern auch am Fortbestand der Erkrankung beteiligt sein, indem sie für anhaltende Entzündungsreaktionen im Körper sorgen.

ME/CFS-Biobank soll bei Forschung helfen

Wenn weder Immundefekte vorliegen noch hormonelle Veränderungen könnte auch die Barrierefunktion der Schleimhäute gestört sein – vor allem die der Darmschleimhaut, aber auch das Darmmikrobiom selbst, so Untersmayr-Elsenhuber: „Das Mikrobiom ist wichtig, um das Immunsystem zu trainieren. Aber es muss auch auf Distanz gehalten werden. Wenn es zu nahe an die Schleimhaut kommt, ist das für den gesamten Körper eine gewisse Gefahr.“

Und das dürfte laut der Immunologin bei Post Covid und ME/CFS, eine Rolle spielen: „Einerseits dass diese Schleimhautbarrieren grundsätzlich nicht so gut funktionieren. Aber auch, dass das Mikrobiom selbst in seiner Zusammensetzung verändert ist und zu wenige Nährstoffe für die Schleimhaut produziert. Das führt zu Entzündungen der Darmschleimhaut. Bestandteile dieser Darmbakterien können dann die Schleimhautbarriere überwinden und in den Blutkreislauf gelangen, wo sie das Immunsystem ständig triggern und in Alarmbereitschaft halten.“

Bis aus all diesen Erkenntnissen eindeutige Biomarker für Long Covid und ME/CFS definiert werden können, wird es noch einige Zeit dauern. An der MedUni Wien soll künftig eine ME/CFS-Biobank bei dieser Forschung helfen. Noch steht man damit ganz am Beginn, aber eine Zusammenarbeit mit anderen, schon weiter fortgeschrittenen ME/CFS-Biobanken in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien ist bereits akkordiert. Gerade erst haben die beteiligten Universitäten ein gemeinsames EU-Forschungsprojekt zur Verwendung von Proben aus diesen Biobanken eingereicht.