Löwen in Kenia
Todd Palmer
Todd Palmer
Invasion

Ameise ändert Beuteschema von Löwen

Der Löwe in Kenia lässt mehr und mehr von seinem bevorzugten Beutetier, dem Zebra, ab und jagt stattdessen Büffel. Verantwortlich ist laut einer aktuellen US-Studie eine kleine Ameise: Sie bringt den Löwen um sein Versteck im Baumbestand.

„Oft stellen wir fest, dass es die kleinen Dinge sind, die die Welt regieren“, sagt einer der Studienautoren, Todd Palmer. Mit dem kleinen Ding ist in diesem Fall eine Ameise gemeint. Aber der Reihe nach: Der Ökologe und Biologe an der Universität Florida entdeckte in den frühen 2000er Jahren, dass eine in Zentralkenia heimische Ameisenart (Crematogaster) maßgeblich dazu beiträgt, dass die Anzahl an Akazienbäumen in Ostafrika stabil bleibt. Mutualismus nennt das die Biologie oder einfacher gesagt: Symbiose war der Schlüssel.

Neue Ameisenart hebelt Symbiose aus

Die Flötenakazie ist ein sogenannter Ameisenbaum. Sie bietet einer in Kenia heimischen Ameisenart Lebensraum und Nahrung in Form von Nektar. Im Gegenzug schützen die Ameisen den Baum: Ihre giftigen oder zumindest unangenehmen Bisse halten Pflanzenfresser ab, selbst große Tiere wie Elefanten, Giraffen und Nashörner. „Zu unserer großen Überraschung stellten wir fest, dass diese kleinen Ameisen unglaublich starke Verteidiger sind und im Wesentlichen die Baumbedeckung in diesen Landschaften stabilisieren. Dadurch können die Akazienbäume an einem Ort mit so vielen großen pflanzenfressenden Säugetieren überleben“, so Palmer.

Savanne vor der Invasion der Ameisen
Pat Milligan
Savanne vor der Invasion der Ameisen

In den vergangenen Jahren veränderte sich das aber sichtbar. Der Bestand an Akazien ging im Naturschutzgebiet Ol Pejeta zurück. Eine eingeschleppte Ameisenart macht sich breit – zum Schaden der Bäume und in weiterer Folge als Problem für die Löwen. Zusammengefasst sind die Beobachtungen in einer Studie unter der Leitung von Douglas Kamaru von der Universität Wyoming, die nun in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht wurde.

Gefräßige Ameise verändert die Landschaft

Die Dickkopfameise (Pheidole megacephala) wurde vor etwa 15 Jahren, so vermutet das Forschungsteam, vom Menschen eingeschleppt, möglicherweise von Inseln im Indischen Ozean, etwa von Madagaskar, von den Seychellen oder von den Malediven. Auch das ist nur eine Annahme. Jedenfalls, wo immer die Dickkopfameise auftaucht, verschwindet die heimische Ameise. Die eingeschleppte Art frisst die anderen Ameisen, auch deren Gelege mit den Eiern.

Elefant in von der eingewanderten Ameise kahl gefressenen Landschaft
Brandon Hays
Elefant in der kahl gefressenen Landschaft, da die Bäume nicht mehr von der heimische Ameise geschützt sind.

Die Akazienbäume verlieren ihren Schutz. Denn die Dickkopfameise geht keine Symbiose mit Bäumen ein und wehrt Pflanzenfresser nicht ab. Elefanten machen sich nun über die Akazienbäume her, fressen Blätter und Rinde, stoßen ganze Bäume um. In den Gebieten, in denen die invasive Ameise vorherrscht, wurden bis zu siebenmal mehr Bäume vernichtet als in den Gebieten, wo Akazienbäume und Ameisen eine Symbiose bildeten, so die Studie. Das veränderte die Landschaft. Sie wurde an vielen Stellen offener.

Löwe weicht auf andere Beutetiere aus

Weite, einsehbare Ebenen wirken sich auf das Jagdverhalten des Löwen aus. Der Löwe ist ein Raubtier, das den Hinterhalt braucht. Von dort aus beobachtet er seine Beute und schleicht sich an, bevor er das Tier erlegt. Geht der Baumbestand zurück, können Löwen ihre Beute – bevorzugterweise Zebras – nicht mehr so gut angreifen. Laut Studie sank zwischen den Jahren 2003 bis 2020 der Anteil der getöteten Zebras von 67 Prozent auf 42 Prozent.

Neben den Zebras jagt der Löwe nun Büffel. In den vergangenen Jahren stieg der Anteil getöteter Büffel von Null auf 42 Prozent. Das ist nicht ohne Risiko für den Löwen. Büffel sind nicht nur größer als Zebras, sie sind auch Herdentiere. Das macht sie zu weitaus gefährlicheren Beutetieren – oder in den Worten des Forschungsteams: „Die Natur ist schlau und Lebewesen wie Löwen neigen dazu, Lösungen für die Probleme zu finden, mit denen sie konfrontiert sind. Aber wir wissen noch nicht, was aus dieser tiefgreifenden Änderung der Jagdstrategie der Löwen resultieren könnte.“

30 Jahre Forschung down-to-earth

Das Forschungsteam wird nach eigenen Angaben mögliche weitere Veränderungen beobachten. In den vergangenen drei Jahrzehnten wurde mit traditionellen Methoden gearbeitet: versteckte Kamerafallen, Beobachtungen vom Boden aus und via Satellit und Statistik – eine Vorgangsweise, die dem Team wichtig ist. Die Wissenschaft, so die Autoren, nutze immer öfter hochentwickelte Technologien. Künstliche Intelligenz (KI) und Big-Data seien wichtig geworden. Aber diese Studie sei entstanden, "weil wir 30 Jahre mit Landrovern im Schlamm unterwegs gewesen sind“.