Flüsse

Forscher fordern konkrete Pläne für Renaturierung

Die Europäische Union (EU) will per „Verordnung zur Wiederherstellung der Natur“ stark dezimierte Lebensräume restaurieren. Unter anderem sollen 25.000 Flusskilometer bis 2030 in einen frei fließenden Zustand zurückversetzt werden. Ein österreichisch-deutsches Forschungsteam nennt das Gesetz eine große Chance, man müsse aber mehrere Dinge dezidiert hineinschreiben, damit die Renaturierung gelingt.

Flüsse sind laut den Forschern und Forscherinnen mehr als lineare Landschaftselemente, in denen von der Quelle bis zum Meer bloß zunehmend Wasser fließt. Diese Gewässer seien in Längsrichtung miteinander verbunden (flussabwärts und -aufwärts), in Querrichtung zum Beispiel mit Überschwemmungsgebieten und Bächen, sowie vertikal mit dem Grundwasser und der Atmosphäre. Dazu kämen zeitliche Veränderungen des Abflusses und in der Strömung als „vierte Dimension“.

„Dies sollte bei der Maßnahmenplanung unbedingt berücksichtigt werden, wenn es um die Biodiversität und Funktionsfähigkeit von Flüssen geht“, so das Team um Thomas Hein vom Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien und Twan Stoffers vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin, die ihre Vorschläge im Fachjournal „WIREs Water“ veröffentlicht haben.

Widersprüche zu anderen Vorschriften

Auch mit der Lebewelt rundum sind die Flüsse vernetzt, erklärt das Team: „Deshalb ist das Schaffen von Wanderkorridoren, Verbindungen zwischen Flüssen und Auen sowie den passenden Lebensräumen für vielfältige Artengemeinschaften entscheidend für den Schutz vieler süßwassergebundener Arten“. Die Wiederherstellung von zusätzlichen 25.000 Kilometern frei fließender Flüsse werde nicht ausreichen, um den Rückgang der Artenvielfalt von Süßwasser-Lebewesen in Europa aufzuhalten, geschweige denn umzukehren, schrieben sie: „Die Umsetzung sollte sich daher auf Gebiete konzentrieren, in denen die Wiederherstellung die größten positiven Effekte für die Ökologie, Biodiversität und Ökosystemleistungen hat.“

Teils stünden andere EU-Rechtsvorschriften und -Zielsetzungen in Widerspruch mit den Renaturierungsplänen, kritisieren die Forscher und Forscherinnen, zum Beispiel die „Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)“ und „Richtlinie über erneuerbare Energien (RED)“. In der Vergangenheit habe sich oft gezeigt, dass in solchen Fällen „nicht wenige EU-Mitgliedsstaaten kurzfristige Gewinne über den Erhalt der natürlichen Ressourcen stellen“, meinen sie. Deshalb sollte man zum Beispiel Durchflussanforderungen eindeutig festlegen.

Hoher Bedarf in Österreich

„In Österreich herrscht sehr hoher Bedarf, die Flüsse zu renaturieren“, erklärte Hein im Gespräch mit der APA. „Mehr als die Hälfte davon sind in keinem guten Zustand.“ Grund dafür sind zahlreiche Querbauwerke, und dass sie zumeist von ihren Auen abgetrennt wurden. In Folge hätten auch mehr als die Hälfte der Fischarten einen hohen oder sehr hohen Gefährdungsstatus.

Die Menschen, die hierzulande in der Umgebung von Flüssen leben, würden ebenfalls von Renaturierungsmaßnahmen und besseren Verbindungen der Flüsse mit Auen und Umland profitieren, so der Forscher. Man habe der Donau und anderen Gewässern oft „sehr enge Korridore gesetzt“, dadurch gibt es bei Starkregen „beschleunigte Hochwasserwellen und sehr steile (Hochwasser-)Spitzen“. Wenn man das potenzielle Abflussgebiet vergrößert, verlangsamt man das Geschehen und mindert „maximale Spiegellagen“. „Maßnahmen für die Wiederherstellung von Lebensräumen könnte man deshalb extrem gut mit nachhaltigem Hochwasserschutz verbinden“, sagte Hein.

Im Juni 2022 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law) vorgelegt. Am 29. November 2023 stimmte der Umweltausschuss des EU-Parlaments dem Gesetzestext zu. Die österreichischen und deutschen Experten erwarten eine formelle Verabschiedung des Gesetzes „in den nächsten Wochen“.