IHS-Studie

MINT-Förderprogramme haben wenig Wirkung

Beim Bildungsniveau herrscht in Österreich weitgehend Gleichstellung, zu einer Gleichstellung im Beruf hat das laut einer neuen Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) nicht geführt. Immer noch gibt es typische „Männerberufe“ und „Frauenberufe“. Die Wirkung von Fördermaßnahmen, um mehr Mädchen zu einer Ausbildung im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) zu motivieren, blieben hinter den Erwartungen zurück.

Bildung sei bei der Gleichstellung grundsätzlich ein Erfolgsbereich, betonte IHS-Expertin Andrea Leitner bei einem Online-Mediengespräch zur Studie. Frauen könnten ihre Abschlüsse aber weniger gut verwerten als Männer: Obwohl der Akademikeranteil unter den 25-bis 49-jährigen Frauen mit 30 Prozent (2022) deutlich höher ist als unter gleichaltrigen Männern (23 Prozent), sind immer noch deutlich weniger Frauen in einer Leitungsposition zu finden und Frauen bekommen schon beim Berufseinstieg auch bei gleicher Qualifikation weniger Gehalt. Besonders groß ist der Gender Pay Gap mit mehr als einem Drittel unter Pflichtschulabsolventen, wodurch Frauen mit geringem Bildungsstand nur schwer auf ein existenzsicherndes Niveau kämen.

Dass Frauen bei gleicher Ausbildung weniger verdienen, liegt zum Teil daran, dass sie sich immer noch deutlich seltener für Ausbildungen im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) entscheiden und häufiger in typischen „Frauenberufen“ – etwa Bildung, Gesundheit, Soziales – mit geringeren Einkommen und schlechteren Aufstiegschancen arbeiten. Arbeitszeitbereinigt ist laut IHS-Studie ein Viertel der Einkommensunterschiede darauf zurückzuführen.

MINT bleibt Minderheitenprogramm

Vor allem auf den niedrigeren Bildungsniveaus ist MINT bei Mädchen und Frauen ein Minderheitenprogramm, wie eine IHS-Analyse der Bildungspfade von Mittelschul-Absolventinnen und -Absolventen des Schuljahres 2011/12 zeigt. So entschieden sich 24 Prozent der Buben für eine Berufsschule mit MINT-Fokus, aber nur zwei Prozent der Mädchen. Der Anteil derer, die die Ausbildung abgeschlossen haben, war unter den Mädchen noch einmal geringer.

Und auch bei den Übergängen gehen Frauen verloren: Während nach der HTL-Matura ein Drittel der Männer ein Studium mit MINT-Fokus wählte, waren es nur 15 Prozent der Frauen. Insgesamt hatten 2019/20 laut Mikrozensus neun Prozent der Frauen eine MINT-Ausbildung als höchsten Abschluss, unter Männern waren es hingegen 51 Prozent. Beim Eintritt in den Beruf zeigt sich die Spaltung nach Geschlechtern einmal mehr: Während 57 Prozent der Männer mit MINT-Ausbildung danach auch in diesem Feld arbeiten, tun das nur 28 Prozent der Frauen.

“Drehtüreffekt“ im MINT-Bereich

IHS-Expertin Leitners Schluss aus diesen Daten: Der „Drehtüreffekt“, wonach Frauen männertypische Berufe nach einiger Zeit wieder in Richtung typischer „Frauenberufe“ verlassen, wirkt bei MINT schon im Bildungsbereich. Die Gründe sind laut Leitner divers: So müssten sich Mädchen bzw. Frauen im männlich dominierten Arbeitsklima immer wieder gegen Abwertungen und Genderstereotype durchsetzen, dazu kommen (zumindest erwartete) Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie wegen fehlender Teilzeitmöglichkeiten.

Leitners Schluss aus den Befunden: Um etwas zu verändern, müsse man nicht nur bei den Mädchen und Frauen ansetzen und versuchen, ihre Bildungs- und Berufswahl zu entscheiden, sondern sich auch immer die Strukturen anschauen. Für die diversen Förderprogramme für mehr Mädchen in MINT-Ausbildungen bricht Leitner eine Lanze – selbst wenn diese in den vergangenen zwei Jahrzehnten laut Studie nur zu einem „bescheidenen“ Anstieg beim Frauenanteil im MINT-Bereich geführt haben. So hätte es wohl ohne Angebote wie etwa Frauen-Mentoringprogramme an den Technischen Unis vermutlich noch mehr Abbrüche gegeben.

Adaptierte Bildungsangebote

Wichtig wäre aus Leitners Sicht aber auch, dass technisch ausgerichtete Bildungsangebote so vermarktet und etwa durch eine Kombination mit Kreativität oder Umweltthemen inhaltlich so angepasst werden, dass sie Mädchen stärker ansprechen. Außerdem sollte man bei der Bewerbung von MINT-Ausbildungen Eltern und Lehrpersonal stärker ansprechen, immerhin hätten diese bei 13- und 14-Jährigen großen Einfluss auf die Entscheidung.

Darüber, wieso so viele Frauen beim Übergang in technische Berufe verloren gehen, wisse man indes noch zu wenig. „Da müsste man schauen, wo die Schalthebel sind, um zu verhindern, dass Frauen wieder rausgehen.“