Blick über Wien vor blauem Himmel
Ekaterina Pokrovsky/stock.adobe.com
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Umfrage

Wie klingt das „Meidlinger L“ wirklich?

Für den Wiener Dialekt ist wohl nichts so typisch wie das „Meidlinger L“. Aber wie klingt es tatsächlich, und gibt es überhaupt nur eine einzige Variante in der Wiener Mundart oder vielleicht doch mehrere? Mit diesen Fragen beschäftigt sich derzeit ein Wiener Forschungsteam und bittet dabei auch um Unterstützung aus der Bevölkerung.

Wer früher als „echter Wiener“ bezeichnet werden wollte, musste dazu in der Lage sein, das „Meidlinger L“ auszusprechen. Den typisch wienerischen Laut hörte man nicht nur überall auf den Straßen der Landeshauptstadt, auch im Fernsehen spielte die Wiener Mundart immer wieder eine zentrale Rolle. Als einer der bekanntesten Vertreter des Dialekts gilt die Kunstfigur Edmund „Mundl“ Sackbauer (verkörpert von Karl Merkatz in „Ein echter Wiener geht nicht unter“).

Dass das „Meidlinger L“ ein Teil der Wiener Kultur ist, zeigte auch ein Ansuchen der Jungen SPÖ Meidling aus dem Jahr 2015. Darin wurde vorgeschlagen, den Laut in das UNESCO-Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufzunehmen.

Auf der Suche nach Merkmalen

Doch wie klingt das typische „Meidlinger L“ tatsächlich? Trotz der tiefen Verankerung im Wiener Bewusstsein gibt es kaum wissenschaftliche Forschung zu dem Thema. Dennoch glauben viele Menschen zu wissen, wie man den Laut ausspricht und wie er zu klingen hat. „Es gibt hier einfach sehr viele unterschiedliche Meinungen“, erklärt die Sprachwissenschaftlerin Eva Reinisch von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gegenüber science.ORF.at.

Mitmachen erwünscht!

Um genügend Daten für das Projekt zu sammeln, zählen die Forscherinnen und Forscher der ÖAW auf die Unterstützung der Menschen in Österreich. Zur Onlineumfrage geht es hier. Die Teilnahme ist noch bis Ende Juni möglich.

Gemeinsam mit ihrem Forschungsteam, bestehend aus Jan Luttenberger, Yaqian Huang und Stefan Dzever, will Reinisch am Institut für Schallforschung der ÖAW nun mehr über den Wiener Dialekt in Erfahrung bringen und klären, wie das typische „Meidlinger L“ tatsächlich klingt. Finanziert wird das zwölfmonatige Projekt von der ÖAW und der Stadt Wien.

Warum nicht „Favoritener L“?

Eines sei jedenfalls klar: Das „Meidlinger L“ war niemals auf einen einzigen Wiener Gemeindebezirk beschränkt. „Das war früher halt der Dialekt der Arbeiterklasse in Wien und ist dann in den normalen Sprachgebrauch übergegangen“, erklärt Luttenberger. Woher die besondere Aussprache ursprünglich kommt, ist ungewiss. „So etwas ist aus heutiger Sicht nur noch schwer zu bestimmen – es wäre aber möglich, dass sich das besondere L durch das Zusammenleben der Österreicherinnen und Österreicher mit den damaligen Gastarbeitern aus slawischen Ländern entwickelt hat.“

Dass es schließlich als „Meidlinger L“ bekannt wurde, obwohl es in ganz Wien und sogar über die Grenzen der Landeshauptstadt hinaus gesprochen wurde, liege wahrscheinlich vor allem am Namen des Wiener Gemeindebezirks. „Man hat hier gleich die Möglichkeit, das L anders auszusprechen. Und es gibt außerdem noch ein ‚EI‘ darin. Ebenfalls ein typisches wienerisches Merkmal ist, das ‚EI‘ als ’Ä’ auszusprechen – das heißt, man kann den Dialekt gleich in der Bezeichnung durchklingen lassen“, so Luttenberger.

L ist nicht gleich L

Im Wiener Dialekt gibt es laut dem Forschungsteam grundsätzlich drei verschiedene Varianten, das L auszusprechen. Einerseits die von Luttenberger als „hell und alveolar“ bezeichnete Art, die gemeinhin als die Standardvariante gilt und auch in der Bühnensprache vorkommt. „Dann gibt es daneben das retroflexe L, das man etwa nach Hinterzungenvokalen in einem Wort wie ‚Wolle‘ nutzt“, erklärt der Experte. Als dritte Variante nennt er das „velarisierte oder auch dunkle L“, das vor allem an Wortanfängen oder -enden vorkommt.

Theoretisch könnten alle drei Varianten ein „Meidlinger L“ darstellen – die Forscherinnen und Forscher gehen davon aus, dass in unterschiedlichen Wörtern auch verschiedene Aussprachen als Wiener Dialekt durchgehen.

Teilnahme am Experiment

Dennoch möchte das Team der ÖAW genauer klären, welche Merkmale das typische „Meidlinger L“ tatsächlich ausmachen, und bittet dabei um die Hilfe der Menschen in Österreich. Im frei zugänglichen Onlineexperiment sollen sie anhand verschiedener Hörbeispiele einschätzen, wie sehr ein L im Wort nach dem „Meidlinger L“ klingt.

Die teilnehmenden Personen können dabei ganz für sich selbst entscheiden, welche Hörbeispiele das ihrer Meinung nach „beste Meidlinger L“ beinhalten. Am Ende der Umfrage erheben die Forscherinnen und Forscher noch einige Daten zur Person, etwa über deren Alter oder deren Bezug zum Wiener Dialekt. „Basierend auf den Antworten der Bevölkerung wollen wir dann herausfinden, ob bestimmte Varianten in bestimmten Wörtern das typische ‚Meidlinger L‘ darstellen“, erklärt Reinisch.

Teilnehmen darf jeder – auch Personen, die nicht in Wien leben, die Deutsch nicht als Muttersprache haben und auch jüngere Menschen, die mit dem Begriff „Meidlinger L“ vielleicht gar nicht mehr wirklich vertraut sind. „Damit möchten wir auch klären, wie bekannt das ‚Meidlinger L‘ heutzutage überhaupt noch ist“, so die Sprachwissenschaftlerin.