Gletscher

Landschaft unter Antarktis abwechslungsreich

Der riesige Thwaites-Gletscher in der westlichen Antarktis spielt eine zentrale Rolle beim Anstieg des Meeresspiegels durch die Erderwärmung. Er wird auch als „Weltuntergangsgletscher“ („doomsday glacier“) bezeichnet. Bei der Generalversammlung der European Geosciences Union (EGU) in Wien präsentierten Forschende nun neue Daten zum abwechslungsreichen Untergrund mit Hügeln, flachen Landschaften und Seen.

Die Fläche des Thwaites-Gletscher entspricht in etwa der des US-Bundesstaats Florida. Aktuell liegt der durch die Klimaerwärmung verursachte Anstieg des Meeresspeigels bei rund vier Millimetern pro Jahr, historische Daten zeigen aber, dass auch das Zehnfache dieses Wertes erreicht werden könnte, wenn zum Beispiel der Thwaites-Eisstrom beginnen würde, katastrophal viel an Masse zu verlieren, so die Wissenschaftler bei der EGU

Daher sei es extrem wichtig, bessere Prognosen zur Entwicklung seiner Fließgeschwindigkeit über Land und zur Abschmelzrate jener Eismassen, die ins Meer hinein ragen, zu entwickeln. Dazu ging ein Team unter der Leitung von Olaf Eisen vom Alfred-Wegener-Institut und dem Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (Deutschland) und Kollegen vom British Antarctic Survey (BAS) in den vergangenen Jahren daran, in aufwendigen Messkampagnen die Topografie des Untergrunds so detailliert zu vermessen wie noch nie zuvor. Das geschah im Rahmen der "International Thwaites Glacier Collaboration (ITGC).

Hügel und Ebenen

Mit Hilfe von seismischen Messungen auf der Eisoberfläche blickte man tief in den Untergrund. So zeichneten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit Mikrofonen quasi den Nachhall von gezielten Sprengungen auf und erzeugten mit einer Metallplatte kleine Minierdbeben. Je nachdem, wie der Schall dann vom mehr oder weniger festen Untergrund unter dem Gletscher reflektiert wird, lassen sich Rückschlüsse auf die Landschaft ziehen. „Wir haben jetzt ein sehr gutes Datenset zum Boden unter dem Eis“, so Eisen.

Untergrund des Thwaites
Ole Zeising
Untergrund des Thwaites-Gletscher wird erforscht

Virtuell zum Vorschein kamen so kilometerlange sanfte, nahezu flache Landstriche, die von teils auch hunderte Meter hohen Hügelketten durchzogen werden. In den Ebenen dominieren Sedimente und Flächen, an denen sich offenbar flüssiges Wasser oder Ablagerungen mit extrem hohen Flüssigkeitsgehalt angesammelt haben. Anscheinend gibt es mehrere unterirdische Seen – ein Phänomen, das sich vielerorts unterhalb des Eisschildes des Südkontinents manifestiert.

Während die felsigen und schroffen Hügelketten eher dazu führen, dass sich das Eis dort verdichtet und entsprechend langsamer gen Küstenlinie fließt, böten die lockereren Sedimente in den Ebenen kaum Widerstand. Die Regionen mit flüssigem Wasser verlangsamen den Eisfluss überhaupt nicht, so Eisen.

Neue Modelle notwendig

Ob die neuen Informationen nun als gute oder schlechte Nachrichten zu werten seien, traute sich der Glaziologe noch nicht zu beurteilen. Man müsse nun neue Modelle zur Fließgeschwindigkeit der riesigen Eismasse unter verschiedenen Klimaszenarien entwickeln. Klar sei, dass Systeme wie diese extrem unterschiedlich auf vermeintlich kleine Differenzen reagieren. Ob die Erderhitzung in nächster Zeit 1,5 oder 2 Grad Celsius erreicht, könne etwa einen großen Unterschied dahingehend bewirken, ob bzw. wie rasch der Thwaites-Gletscher kollabiert, betonte Eisen.

In den vergangenen Jahren hat ein Team um Robert Larter vom BAS (Großbritannien) den Eisstrom auch vom Meer aus vermessen und dabei festgestellt, dass er vor dem 20. Jahrhundert kaum an Masse verloren hat. Mittlerweile ist er aber deutlich aus der Balance geraten. Der Masseverlust ist heute bereits um ein Vielfaches höher als noch in den 1980er Jahren, erklärte Larter. Trotz dieser besorgniserregenden Zunahme scheinen sich aber richtige Katastrophenszenarien mit einem sehr raschen Abschmelzen des riesigen Gletschers zumindest in nächster Zeit eher nicht zu bewahrheiten. Man müsse die Eismassen aber weiter sehr intensiv vom Festland und dem Meer aus beobachten, auch um Menschen besser zu informieren, die in Küstennähe leben.