Drei ältere Frauen auf einer Bank
APA/dpa/Julian Stratenschulte
APA/dpa/Julian Stratenschulte
Alter

Frauen fühlen sich länger jung

Alter ist nicht nur eine Frage der Einstellung, wie oft behauptet wird. Wann sich jemand als wirklich alt empfindet, hängt offenbar stark von der Generation, vor allem aber vom Geschlecht ab. Für Frauen beginnt das gefühlte höhere Alter im Schnitt zweieinhalb Jahre später, zeigt eine Studie.

„Ab welchem Alter würden Sie jemanden als alt bezeichnen?“ Diese Frage stellten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Humboldt-Universität, der Stanford-Universität, der Universität Luxemburg und der Universität Greifswald rund 14.000 Personen, die zwischen 1911 und 1974 in Westdeutschland geboren wurden. Ihre Untersuchung basiert auf Daten des Deutschen Alterssurvey, einer bundesweiten repräsentativen Befragung, die über einen Zeitraum von 25 Jahren mit Menschen in ihrer zweiten Lebenshälfte durchgeführt wurde. Die Ergebnisse dieser Studie sind soeben im Fachjournal „Psychology and Aging“ erschienen.

Dabei gebe es mehrere Auffälligkeiten, so Studienautor Markus Wettstein von der Humboldt-Universität in Berlin: „Frauen setzen den Beginn des höheren Alters im Durchschnitt ungefähr zweieinhalb Jahre später an.“ Das könne damit zusammenhängen, dass Frauen im Schnitt länger leben. Eine weitere Erklärung sei, dass Frauen im Alter stärker stigmatisiert werden als Männer, erklärt der Psychologe. Der Beginn des Altseins werde von Frauen deswegen höher angesetzt, um sich von dem negativen Bild abzugrenzen.

Alter ist eine Generationenfrage

Wettstein und sein Team fanden auch heraus, dass Altsein für Erwachsene heute gefühlt später beginnt als für Menschen, die in früheren Jahrzehnten geboren wurden. Demnach hatten 65-Jährige, die 1955 zur Welt kamen, das subjektive Empfinden, dass Altsein im Schnitt mit 75 Jahren beginnt. Für 65 Jahre alte Menschen, die bereits 1911 geborenen worden waren, begann Altsein dem Modell der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zufolge gefühlt schon mit 71 Jahren.

Womit hängt das zusammen? „Ein Punkt ist sicherlich, dass die Lebenserwartung in den letzten Dekaden angestiegen ist“, sagt Wettstein. Dem Statistischen Bundesamt in Deutschland zufolge hatten beispielsweise 65-jährige Männer in den Jahren 1901 bis 1910 im Schnitt noch 10,4 Jahre zu leben, gleichaltrige Frauen rund 11 Jahre. 1960 bis 1962 waren es in Westdeutschland für gleichaltrige Männer bereits 12,4 und für Frauen 14,6 weitere Jahre. In den Jahren 2019 bis 2021 waren es bei 65-jährigen Männern 17,8 Jahre, bei Frauen rund 21 Jahre. Den Angaben zufolge verlangsamte sich der Anstieg der Lebenserwartung jedoch. Dementsprechend verlangsamt sich laut Wettstein auch der Trend eines später wahrgenommenen Altersbeginns.

Späterer Pensionsantritt hält jung

Eine weitere Begründung für die Entwicklung sei, dass der Pensionseintritt typischerweise mit Altsein in Verbindung gebracht werde, das Pensionsalter im Laufe der Jahre aber gestiegen sei, erklärt Wettstein. Hinzu komme, dass alte Menschen heute im Schnitt gesünder und fitter seien als früher und dadurch länger jung wirken.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Alterssurveys wurden über die Jahre hinweg mehrfach befragt. Wettstein zufolge stellten die Wissenschaftler bei der Auswertung der Daten ein weiteres Phänomen fest: „Wenn eine Person älter wird, schiebt sie den Beginn des höheren Alters immer ein bisschen weiter nach hinten“, sagt der Psychologe. Eine 60-jährige Frau etwa, für die Altsein eigenen Angaben zufolge mit 74 Jahren beginnt, legt mit 65 Jahren den Beginn des Altseins um rund ein Jahr später. Für sie beginnt das höhere Alter erst zwischen 75 und 76 Jahren.