Die Versuchsflächen auf der Hohen Mut im Ötztaler Obergurgl
Helen Snell
Helen Snell
Klima

Klimaerwärmung stört alpine Ökosysteme

Gebirge erwärmen sich rascher als Flachland. Mit der Erwärmung schwindet auch die Schneedecke auf den Bergen immer früher. Das fein abgestimmte ökologische Gefüge in alpinen Regionen gerät dadurch zunehmend aus dem Gleichgewicht, zeigt eine Studie mit Beteiligung der Universität Innsbruck.

Konkret wurden die Auswirkungen einer in Zukunft erwarteten geringeren Schneedecke im Hinteren Ötztal auf einer Seehöhe von 2.500 Metern untersucht. Aus der Forschungsarbeit geht hervor, dass das alpine Ökosystem durcheinandergeraten werde, weil die Verschiebung der Nährstoffspeicherung vom Boden zu den Pflanzen gestört wird.

Schnee hat im alpinen Ökosystem eine isolierende Funktion. Jährlich komme es zu saisonalen Verschiebungen von Nährstoffen zwischen Pflanzen und den mikrobiellen Gemeinschaften in alpinen Böden, so der Ökologe Michael Bahn in einer Aussendung der Universität Innsbruck.

Wenig Schnee wirbelt Stoffkreisläufe durcheinander

Nach der Schneeschmelze im Frühjahr beginnen Pflanzen zu wachsen und konkurrieren dabei mit Bodenmikroben um Nährstoffe. Im Herbst kehrt sich dieser Prozess um, und die Nährstoffe werden durch abgestorbene Blätter und Wurzeln wieder in den Boden zurückgeführt. Durch den Schnee bleiben die Bodenmikroben aktiv und speichern diese Nährstoffe, die von Pflanzen im Frühjahr benötigt werden, in ihrer Biomasse.

Saisonale Verschiebungen bringen das Ökosystem in den Alpen aus der Balance
Michael Bahn
Saisonale Verschiebungen bringen das Ökosystem in den Alpen aus der Balance

Sollte im alpinen Bereich jedoch zu wenig Schnee liegen, drohe dieses Gefüge aus dem Gleichgewicht zu geraten, mahnen die beiden Studienautoren Michael Bahn vom Institut für Ökologie an der Uni Innsbruck und Richard Bardgett von der Universität Manchester. Sie prognostizieren „bis Ende des Jahrhunderts in Teilen der europäischen Alpen einen Verlust der Schneedecke von bis zu 80 bis 90 Prozent“. Beide Forscher befürchten eine schwerwiegende Störung des Ökosystems „mit potenziell langfristigen Folgen für Stoffkreisläufe und die Artenvielfalt“.

Fatale Kombination

Zwergsträucher wie etwa das Heidekraut dringen zunehmend in immer höhere Lagen vor und beeinträchtigen in Kombination mit einer zu geringen Schneedecke das fein abgestimmte Zusammenspiel von Pflanzen und Bodenmikroorganismen. Hochgebirgsökosysteme seien deshalb möglicherweise weniger gut in der Lage, jene wichtigen Nährstoffe zu speichern, die das Pflanzenwachstum unterstützen, erklärt Bahn.

Die Forschungsarbeit, an der auch Expertinnen und Experten des Deutschen Forschungszentrum Helmholtz Zentrum München beteiligt waren, wurde im Fachmagazin Global Change Biology veröffentlicht. Als Datengrundlage dienten Feldstudien, die über mehrere Jahre oberhalb von Vent im Tiroler Ötztal durchgeführt worden waren.