Schuppentier in Malaysia
AFP – JIMIN LAI
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Überträger

Virusherkunft: Zweifel am Schuppentier

Von wilden Tieren ist das Coronavirus irgendwann auf den Menschen übergesprungen. Zuletzt wurde das Schuppentier als Überträger gehandelt. Dafür gebe es nicht genug Belege, meint nun ein Experte für Wildtiergenetik. Man schade damit nur dem ohnehin vom Aussterben bedrohten Tier.

Sein Fleisch gilt in Asien als Delikatesse und seine Schuppen sollen heilsame Kräfte haben. Das hat das Schuppentier oder Pangolin an den Rand seiner Existenz gebracht. Trotz eines internationalen Handelsverbots wird es weiter gewildert und vermarktet. Laut der Weltnaturschutzunion IUCN ist es sogar das am meisten illegal gehandelte Säugetiere der Welt.

In den Proben von solchen geschmuggelten und beschlagnahmten Exemplaren haben Forscher kürzlich eine Art SARS-CoV-2-Infektion festgestellt. Laut der in „Nature“ erschienenen Studie waren die Viren zu etwa 85 bis 92 Prozent genetisch ident mit SARS-CoV-2.

Schuppen des Schuppentiers
AFP/National Parks Board
Die Schuppen des Pangolin sind begehrt

Schon im Jänner hatten Forscher im Fachmagazin „Lancet“ berichtet, dass SARS-CoV-2 genetisch zwei Virusstämmen in wilden Fledermäusen ähnelt. „Die Coronaviren in Fledermäusen zeigten eine Übereinstimmung von 88 bis 96 Prozent mit SARS-CoV-2“, erklärt Stefan Prost vom Loewe-Zentrum für translationale Biodiveristaetsgenomik am Senckenberg Museum in Frankfurt gegenüber science.ORF.at.

Trotz dieser großen Übereinstimmung gebe es aber entscheidende Unterschiede, so der aus Österreich stammende Experte für Wildtierforensik. Einer davon seien Bindungsstellen des Fledermaus-Erregers, die nach ersten Analysen nur schlecht an Rezeptoren menschlicher Zellen andocken können. Man geht daher davon aus, dass die Coronaviren erst über einen weiteren Zwischenwirt beim Menschen gelandet sein müssen. Passiert ist das vermutlich am Huanan Seafood Market in Wuhan, wo auf engstem Raum und unter mangelhaften hygienischen Umständen Wildtiere und eben auch Schuppentiere verkauft werden.

Wesentliche Unterschiede

Die nun festgestellten genetischen Ähnlichkeiten zwischen dem Erreger im Pangolin und der menschlichen Variante – besonders bei den erwähnten Andockstellen – nährten den Verdacht, das vom Aussterben bedrohte Tier könnte das gesuchte Bindeglied sein. „Aber es gibt wesentliche Unterschiede in anderen Bereichen des Virengenoms“, betont Prost. Bei Schuppentieren wie bei Fledermäusen betreffe das unter anderem eine Stelle, die großen Einfluss auf die Infektiosität und die Bandbreite der möglichen Wirte hat.

Die in vielen Medien, auch in science.ORF.at, kolportierten 99 Prozent Wahrscheinlichkeit für das Schuppentier als Zwischenwirt lasse sich jedenfalls aus den bisherigen Untersuchungen nicht ableiten. In einer Aussendung der südchinesischen Agraruniversität Guangzhou (darauf basierende Meldung der chinesischen Presseagentur) sowie einer Preprint-Studie von US-Forschern und der dazugehörigen Aussendung der Ohio State University war lediglich von einer 99-prozentigen Übereinstimmung bestimmter Gensequenzen die Rede, eben im Bereich der Rezeptor-Gene.

„Nach heutigem Standpunkt sind weder Fledermäuse noch Schuppentiere die wahrscheinlichen Zwischenwirte für SARS-CoV-2. Allerdings wurden erst wenige Tiere getestet – zu wenige, um eindeutige Aussagen treffen zu können,“ so Prost.

Gefahr für Pangolin

Der Biologe warnt jedenfalls davor, die Schuppentiere vorschnell zu verurteilen: „Sie sind ohnehin schon vom Aussterben bedroht.“ Ihnen jetzt noch die Schuld an einer weltweiten Pandemie zu geben, könnte laut Prost dazu führen, dass sie aus Angst vor weiteren Ansteckungen noch häufiger gejagt und getötet werden.

Um zukünftige zoonotische Epidemien oder Pandemien zu vermeiden, müsse sich der Umgang mit Tieren auf Wildtiermärkten wie in Wuhan drastisch ändern, fordert der Experte: „Es bedarf strikter Regeln, welche Tierarten verkauft werden dürfen, verstärkte Hygienerichtlinien zur Tierhaltung und regelmäßige genetische Untersuchungen in Hinblick auf Krankheitserreger. Solche Maßnahmen dienen sowohl dem Schutz der Tiere als auch der Menschen.“ Wichtig sei auch ein funktionierendes Ökosystem, wie andere Wildtierexperten betonen: In einem solchen sind zoonotische Übertragungen, von Tier auf Mensch, höchst unwahrscheinlich.