Wasserfledermaus
APA/Wolfgang Buchhorn
APA/Wolfgang Buchhorn
Pandemie

Mensch hat Viren den Weg geebnet

Ein Virus, das eigentlich in wilden Tieren lebt, hat die Welt weitgehend lahmgelegt und bereits viele Menschenleben gekostet. Eine Studie zeigt: Die Ausbeutung wilder Tiere und die Zerstörung von Lebensräumen haben dazu geführt, dass zoonotische Pandemien wahrscheinlicher werden.

Das Coronavirus ist von wilden Tieren auf den Menschen übergesprungen. Man weiß aber immer noch nicht, wo und wann das passiert ist und welches Tier letztlich der Überträger war. Wie die Forscherinnen und Forscher um Christine K. Johnson – Leiterin eines Projekts zu Pandemien an der University of California, Davis – in ihrer aktuellen Studie schreiben, sei das generell schwierig; schon allein deswegen, weil wilde Tiere selten auf Pathogene untersucht werden.

Rhesusaffen in einer Tempelanlage in Kathmandu
Christine K. Johnson, UC Davis
Rhesusaffen in einer Tempelanlage in Kathmandu

Außerdem komme es vermutlich sehr häufig unbemerkt vor, dass tierische Erreger auf den Menschen überspringen, etwa wenn Regionen nur medizinisch mangelhaft versorgt oder die Symptome nur sehr mild sind. Daten sind also rar. Es gebe aber viele einzelne Beobachtungen, welche Umstände eine Übertragung von Viren zwischen Tier und Mensch begünstigen: Dazu zählen die Domestizierung wilder Tiere, die Jagd und das Vordringen in Lebensräume – der Stress kann z.B. das Immunsystem der Tiere schwächen. Laut den Autorinnen und Autoren sind das genau jene menschlichen Aktivitäten, die auch viele Tierpopulationen schrumpfen ließen oder an den Rand des Aussterbens gebracht haben.

Viele Viren in Haustieren

Ob es tatsächlich einen systematischen Zusammenhang zwischen zoonotischen Viren und Artensterben gibt, wurde für die nun in den „Proceedings of the Royal Society B“ erschienene Studie untersucht. Analysiert und miteinander korreliert wurden Daten der Roten Liste für bedrohte Tiere (IUCN Red List) und Daten zu etwa 140 bekannten tierischen Viren, die aufgrund ihrer Eigenschaften auch Menschen anstecken könnten.

Unter mehr als 5.300 wilden Säugetieren fanden sich nur gut 600, die Träger eines oder mehrerer solcher Viren waren, bei ca. 350 war es nur ein einziges. Die meisten Viren leben demnach bei Nage- und Fledertieren, Primaten, Paarhufern und Raubtieren. Eine besondere Stellung nehmen die vergleichsweise wenigen Haus- und Nutztierarten ein: Sie sind sehr weit verbreitet und beherbergen besonders viele Viren, im Schnitt etwa acht Mal so viel wie wilde Tiere. So finden sich etwa in Schweinen oder Rindern bis zu 30 Viren. Oft auf engem Raum gehalten und seit Langem in unmittelbarer Nähe des Menschen sind Nutztiere daher auch ein besonders großer Risikofaktor für zoonotische Infektionen, schreiben die Forscherinnen und Forschern.

Tote Fledermäuse auf einem Wildtiermarkt in Indonesien
UC Davis
Tote Fledermäuse auf einem Wildtiermarkt in Indonesien

Wilde Tiere, die sich an eine vom Menschen geprägte Umwelt angepasst haben, wie manche Primaten und Fledermäuse sowie Ratten und Mäuse, die häufig in haustierähnlichen Verhältnissen in unmittelbarer Nähe des Menschen leben, sind weitere potenzielle Überträger zahlreicher Viren.

Mehr Viren in Menschennähe

Kleine, vom Aussterben bedrohte Arten tragen hingegen viel weniger Viren in sich: je kleiner die Population und der Lebensraum, umso weniger Viren, so die Ergebnisse.

Davon gebe es aber wesentliche Ausnahmen: Arten, die durch menschliche Ausbeutung, also z.B. durch Jagd oder Wildtierhandel, heute sehr stark dezimiert sind, tragen etwa doppelt so viele Viren wie jene Säugetiere, die aus anderen Gründen vom Aussterben bedroht sind. Der enge Kontakt zwischen Jägern und Wildtieren erhöhe zudem die Wahrscheinlichkeit, dass eines solchen Virus die Artengrenze überspringt.

Ähnliches gilt auch für Arten, deren Lebensräume von Menschen zerstört bzw. stark verändert wurden, indem sie z.B. Wildnis zu Ackerland machten: Diese Tiere tragen ebenfalls sehr viele zoonotische Keime. Das Vordringen in tierische Lebensräume gibt den Viren auch mehr Möglichkeiten, Menschen zu infizieren. „Nachdem wir in ihre natürlichen Lebensräume eingedrungen sind, teilen sie auch ihre Viren mit uns“, erklärt dazu Christine K. Johnson in einer Aussendung. „Unsere Handlungen bedrohen so das Überleben der Arten und erhöhen gleichzeitig das Risiko für das Überspringen eines Virus.“

Die Forscherin und ihr Team hoffen auf mehr Wachsamkeit – überall dort, wo Menschen und Tiere in engem Kontakt sind. „Natürlich wünschen wir uns keine Pandemie wie diese. Daher sollten wir dringend Wege finde, wie wir sicher neben wilden Tieren leben können. Viren, die auch uns treffen können, hätten sie genug.“