Mutter hilft Kind beim Aufsetzen einer Nasen-Mund-Gesichtsmaske
APA/AFP/Desiree Martin
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Coronavirus

Kinder verbreiten weniger Aerosole als Erwachsene

Zwei neue Studien sind der Rolle von Kindern bei der Übertragung von Coronaviren nachgegangen. Kinder verbreiten demnach beim Sprechen und Singen viel weniger Aerosole als Erwachsene. Die Menge der Viren, die sie tragen, dürfte aber ähnlich sein.

Die Aerosol-Studie stammt von der Charité und der Technischen Universität in Berlin unter Federführung des Phoniaters Dirk Mürbe. „Kinder im Volksschulalter emittierten beim Sprechen eine Anzahl von Partikeln in der Größenordnung wie Erwachsene beim Atmen, und beim Singen emittierten sie ähnlich viele Partikel wie Erwachsene beim Sprechen“, sagte Mürbe der dpa.

Für „differenziertere Bewertung“

Die Anzahl der Aerosole hänge dabei stark von der Lautstärke ab. Der Befund könne nicht nur bei der Entscheidung für Präsenzunterricht an Schulen eine Rolle spielen, sondern auch für die Arbeit von Kinderchören. Mürbe – er ist Direktor der Klinik für Audiologie und Phoniatrie an der Charité – zufolge bedeutet das aber nicht, dass Schulunterricht oder Chorproben und -konzerte unabhängig von der Infektionslage und ohne Beschränkungen stattfinden können.

Allerdings sei je nach äußeren Umständen wie Größe des Raumes, Anzahl und Aufenthaltsdauer der Kinder sowie den Lüftungskonzepten mehr möglich als bisher praktiziert: „Die geringere Anzahl der ausgestoßenen Aerosole und die Verfügbarkeit von Testkonzepten führen zu einer differenzierteren Bewertung der Infektionsgefahr und zu besseren Rahmenbedingungen im Unterricht und im außerschulischen Bereich.“

Acht- bis Zehnjährige untersucht

Bisher fokussierten sich Untersuchungen zum Ausstoß von Aerosolen vor allem auf Erwachsene. Mürbe zufolge wurden sie nun erstmals bei acht- bis zehnjährigen Grundschülern mittels Laserpartikelzähler in einem Reinraum gemessen. Konkret ging es um 15 Mädchen und Buben des Staats- und Domchores Berlin und des Mädchenchores der Sing-Akademie Berlin. Für diese Altersgruppe ist vorerst kein Impfschutz absehbar.

Bei den Kindern wurden Emissionsstärken unter anderem bei Ruheatmung, Sprechen, Singen und Rufen bestimmt und mit den Werten von 15 Erwachsenen verglichen. Die Ergebnisse der bisher noch nicht in einer Fachzeitschrift veröffentlichten Untersuchung sollen auch dem Kinderchor der Dresdner Philharmonie zu Gute kommen und dort in ein neues Hygienekonzept einfließen.

Ähnliche Viruslast bei Kindern und Erwachsenen

Die zweite Studie stammt von einem Team um Christian Drosten, ebenfalls von der Berliner Charité, und ist in der renommierten Fachzeitschrift “Science“ erschienen. Der Virologe sieht sich damit in seinen Einschätzungen zur Ansteckungsfähigkeit auch von Kindern bestätigt.

Für die Studie bestimmten Wissenschaftler um Drosten für mehr als 25.000 Covid-19-Fälle die sogenannten Viruslasten, also die Menge des Viruserbguts in der PCR-Probe. „Die Erbgutkopien repräsentieren näherungsweise die Virusmenge im Rachen der Patienten und lassen daher Voraussagen über deren potenzielle Infektiosität zu“, erklärte die Charité. Von mehr als 4.000 Fällen lagen mehrere Proben vor, was Rückschlüsse auf den Verlauf der Infektion erlaubte. In die Studie einbezogen wurden Infizierte ohne Krankheitsanzeichen ebenso wie Patientinnen und Patienten mit unterschiedlich schweren Symptomen bis hin zu Krankenhausfällen.

Bei Erwachsenen zwischen 20 und 65 Jahren zeigten sich laut der Charité-Mitteilung „keine nennenswerten Unterschiede“ bei der Viruslast. In den Proben der jüngsten Kinder zwischen 0 und 5 Jahren seien die niedrigsten Viruslasten gefunden worden. Und bei älteren Kindern und Jugendlichen hätten sich die Werte mit steigendem Alter denen der Erwachsenen angeglichen, heißt es weiter.

Probenentnahme beeinflusst Resultat

Die Werte von Kindern sieht Drosten durch eine andere Art der Probenentnahme im Vergleich zu Erwachsenen beeinflusst: Es würden deutlich kleinere Tupfer eingesetzt, die weniger als halb so viel Probenmaterial einbrächten. Statt der schmerzhaften tiefen Nasenrachen-Abstriche würden zudem oft einfache Rachenabstriche gemacht, in denen sich nochmals weniger Virus finde. Deshalb seien bei Kindern von vorn herein geringere Messwerte zu erwarten.

Die Abschätzung der Infektiositätsrate in Laborproben ergab für die jüngsten Kinder (0 bis 5 Jahre) etwa 80 Prozent des Wertes von Erwachsenen, jeweils bezogen auf den Spitzenwert im Viruslastverlauf. Auch hier lagen die Werte bei Schülern und Heranwachsenden näher an den Werten von Erwachsenen. „Dies verdeutlicht, dass man Viruslasten nicht einfach proportional in Infektiosität umrechnen kann“, erklärte Drosten. „Und auch diese datenbasierten Schätzungen der Infektiosität muss man noch mal nach oben korrigieren wegen der unterschiedlichen Probennahme bei Kindern. All dies fließt in eine klinisch-virologische Bewertung ein. Mein anfänglicher Eindruck einer ungefähr gleich großen Infektiosität aller Altersgruppen hat sich bestätigt, nicht nur hier, sondern auch in anderen Studien.“