Nobelpreis-Medaille
APA/dpa
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Auszeichnung

„Wirtschaftsnobelpreis“ an drei Arbeitsmarktökonomen

Der „Wirtschaftsnobelpreis“ geht heuer an die drei in den USA tätigen Arbeitsmarktökonomen David Card, Joshua Angrist und Guido Imbens. Das gab die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm Montagmittag bekannt.

Die drei Preisträger hätten gezeigt, welche Schlüsse aus natürlichen Experimenten auf dem Arbeitsmarkt gezogen werden können, heißt es in der Begründung. Der Ansatz der drei Forscher habe sich auch in anderen Bereichen ausgebreitet und die empirische Forschung revolutioniert.

Der Kanadier David Card von der University of California in Berkeley wurde mit einer Hälfte des Preises ausgezeichnet, der US-Amerikaner Joshua Angrist vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge und der Niederländer Guido Imbens von der Stanford University teilen sich die zweite Hälfte.

Neues Forschungsfeld auf Basis natürlicher Experimente

„Die gerade mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Ökonomen waren schon seit Jahren für die Ehrung im Gespräch. Sie ist äußerst gerechtfertigt“, kommentiert Harald Oberhofer, stellvertretender Vorstand des Instituts für Internationale Wirtschaft von der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien gegenüber science.ORF.at. „Die drei Ausgezeichneten haben Methoden entwickelt, die es ermöglichen, auf Basis von sogenannten natürlichen Experimenten, die Wirkungsweise von wirtschaftspolitischen Maßnahmen vor allem im Bereich der Arbeitsmarktpolitik empirisch zu überprüfen und kausale Zusammenhänge herzustellen. In der empirischen Wirtschaftsforschung haben die drei somit ein neues Feld entwickelt.“

Beispiel: Höherer Mindestlohn

Mit „natürlichen Experimenten“ gemeint sind etwa Schulungen, die Arbeitslosen helfen sollen, wieder einen Job zu finden, idealerweise längerfristig. Wie sich derartige politische Maßnahmen tatsächlich auswirken – das haben die drei nun ausgezeichneten Arbeitsmarktökonomen erforscht.

Ein anderes, vom Nobelpreiskomitee genanntes Beispiel betrifft die Auswirkungen von Mindestlöhnen auf den Arbeitsmarkt: Anfang der 1990er Jahre wurde im US-Bundesstaat New Jersey der Mindestlohn für Angestellte von Fast-Food-Restaurants um 80 US-Cent auf etwas über fünf US-Dollar erhöht – im benachbarten Pennsylvania hingegen nicht. David Card zeigte in einer Studie mit seinem mittlerweile verstorbenen Kollegen Alan Krueger, dass sich das nicht negativ auf die Beschäftigung ausgewirkt hat. Die Beschäftigungszahlen entwickelten sich in beiden US-Bundesstaaten ähnlich, so der Schluss der Forscher. Höhere Löhne führen nicht zu höherer Arbeitslosigkeit, wie das die Standardtheorie annahm.

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Johan Jarnestad/The Royal Swedish Academy of Sciences

Zustimmung von vielen Seiten

Zahlreiche Ökonominnen und Ökonomen begrüßten die Entscheidung des Nobelpreiskomitees. Ulrike Famira-Mühlberger, stellvertretende Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), etwa hält die Forschungsergebnisse der Prämierten für „extrem praxisrelevant“ und zentral für die heutige Arbeitsmarktforschung.

Clemens Fuest, Präsident des deutschen ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, nannte die Entscheidung der Schwedischen Reichsbank eine „sehr gute Wahl“. Die Forschung der drei Wissenschaftler habe einen „großen praktischen Nutzen“, weil sie Methoden entwickelt hätten, um Ursache und Wirkung zu bestimmen. Das sei wichtig, um herauszufinden, „wie wirtschaftspolitische Maßnahmen wirken“.

Auch Ökonomieprofessor Jens Südekum von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf begrüßte die Entscheidung. „Bin super happy über die Auswahl und kann mir keine würdigeren Preisträger vorstellen als diese drei, sie haben die Econ-Welt verändert“, twitterte Südekum.

Wichtige Rolle von Registerdaten

Laut WU-Ökonom Harald Oberhofer war ein wichtiger Baustein für den wissenschaftlichen Erfolg der Prämierten die Verfügbarkeit und Verwendbarkeit von Registerdaten in der empirischen Forschung.

„Alle drei haben ihre maßgeblichen Beiträge auf Basis von großen und anonymisierten Individualdatensätzen erzielen können.“ Das zeige, wie wichtig es auch für Österreich sei, einen ähnlichen Zugang für die Forschung zu ermöglichen, so Oberholzer, der in dem Zusammenhang auf die geplante Einrichtung eines Austrian Micro Data Centers verwies.

Kein klassischer Nobelpreis

Der „Wirtschaftsnobelpreis“ geht nicht auf das Testament von Dynamiterfinder und Preisstifter Alfred Nobel zurück, sondern wird seit 1968 von der schwedischen Reichsbank gestiftet. Die Nobelstiftung bezeichnet sie deshalb nicht als Nobelpreis, sondern als „Preis der Schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften in Gedenken an Alfred Nobel“. Trotzdem wird er gemeinsam mit den anderen Preisen an Nobels Todestag, dem 10. Dezember, überreicht. Wie im Vorjahr sind die Nobelpreise erneut mit zehn Millionen schwedischen Kronen (rund 980.000 Euro) pro Kategorie dotiert.

Im Vorjahr zwei Auktionsforscher geehrt

Vergangenes Jahr war der Preis an die US-Ökonomen Paul R. Milgrom und Robert B. Wilson gegangen, die damit für ihre Verbesserungen der Auktionstheorie geehrt wurden. Die Arbeit von Milgrom und Wilson ermögliche es, neue Versteigerungsformate für Waren und Dienstleistungen zu schaffen, die bis dahin schwer zu verkaufen waren – wie etwa Radiofrequenzen. Dadurch hätten Käufer, Verkäufer und Steuerzahler profitiert, hieß es in der Urteilsbegründung.