Herbststimmung am Grundlsee
APA/BARBARA GINDL
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Mäusestudie

Was kürzere Tage im Gehirn anstellen

Wenn es früher dunkel wird, wirkt sich das unter anderem auf unsere Stimmung aus. Warum, das hat nun ein Forschungsteam aus den USA an Mäusen untersucht. Demnach ändert sich bei verschiedenen Tageslängen auch die Konzentration von Botenstoffen im Gehirn. Das wirkt sich wiederum darauf aus, wie aktiv und motiviert man ist.

Die Neurobiologin Alessandra Porcu ist schon länger daran interessiert, wie sich Tageslicht auf den Körper und den circadianen Rhythmus – auch als „innere Uhr“ bekannt – auswirkt . Ihr Interesse an dem Thema habe in erster Linie persönliche Gründe. Die gebürtige Italienerin zog für ihr Doktoratsstudium von der Insel Sardinien nach Basel in der Schweiz. „Vor allem im Frühling war es dort viel dunkler als ich es gewohnt war“, erklärt sie, und „es war für mich und meinen Körper schwer, mich daran anzupassen.“

Untersuchung an Mäusen

Seitdem hat es sich Porcu zu einem beruflichen Ziel gemacht, jene Mechanismen zu erforschen, die im Gehirn vom Tageslicht beeinflusst werden. „Das gleich an Menschen direkt zu testen, ist natürlich nicht möglich“, erklärt sie im Gespräch mit science.ORF.at. Mit einem US-amerikanischen Forschungsteam hat die Neurobiologin, die mittlerweile selbst an der University of South Carolina (USA) tätig ist, daher Mäuse im Labor untersucht. Das Ergebnis präsentieren die Forscherinnen und Forscher aktuell im Fachjournal „Science Advances“.

“Innere Uhr“ und Stressreaktion

Konkret konzentrierte sich das Team auf bestimmte Hirnregionen der Mäuse, zum Beispiel den Nucleus Suprachiasmaticus. Mittlerweile gilt es als gesichert, dass dieser Bereich im Hypothalamus von Säugetieren für deren „innere Uhr“ verantwortlich ist.

Außerdem untersuchten die Forscherinnen und Forscher an den Mäusen, was sich durch unterschiedliche Tageslichtmengen in einem weiteren Teil des Hypothalamus veränderte – im Nucleus paraventricularis. Dieser Bereich ist dafür verantwortlich, wie das Gehirn auf Stress reagiert und er reguliert laut Porcu zum Teil auch die Stimmung.

Nordische Tage im Labor

Für die Mäuse simulierten die Forscherinnen und Forscher im Labor Sommer- und Wintertageslichtrhythmen, wie es sie auch in manchen nordischen Regionen gibt. Eine Gruppe der Mäuse war dabei fünf Stunden Tageslicht und 19 Stunden Dunkelheit ausgesetzt. Bei der zweiten Mäusegruppe war es genau umgekehrt. 15 Tage lang lebten die Tiere jeweils unter diesen Bedingungen.

Paar auf einer Bank im herbstlichen Sonnenuntergang
APA/dpa/Felix Kästle
Kürzere Tage verändern auch die Hirnchemie

„Unser Ziel war es herauszufinden, wie die unterschiedlichen Mengen an Tageslicht die Hirnregionen und ihre Neurotransmitter und Neuropeptide verändern“, so Porcu. Die Neurotransmitter dienen als Botenstoffe und regen Zellen an, die Peptide hemmen oder fördern sie dabei.

Veränderte Botenstoffe

Nach den sommerlichen Tagen waren die Neuronen im Gehirn der Mäuse dazu angeregt, mehr vasoaktives intestinales Peptid zu produzieren. In den winterlichen Bedingungen war es hingegen ein anderes Peptid, das stärker produziert wurde – das sogenannte Neuromedin S. Die Veränderungen in der Peptidkonzentration hatten in weiterer Folge auch Auswirkungen auf die „innere Uhr“ der Mäuse und letztendlich ihr tägliches Verhalten, so Porcu.

Mehr Antrieb durch Dopamin

„Wir haben die Käfige der Mäuse mit Laufrädern ausgestattet, um ihre tägliche Aktivität zu überprüfen. Auch dabei konnten wir große Unterschiede zwischen den beiden Mäusegruppen feststellen“, erklärt die Neurobiologin.

Mehr Neuromedin S im Gehirn führte zu mehr Dopamin, das im Volksmund als „Glückshormon“ bekannt ist, wahrscheinlich aber eher mit dem Antrieb und der Motivation der Tiere zu hat. Mehr Dopamin führte wiederum dazu, dass weniger mit Stress und Depression in Verbindung stehende Stoffe produziert werden konnten.

Nachtaktive Mäuse

Die Mäuse waren aktiver, wenn sie weniger Tageslicht hatten. Sie fingen früher an zu laufen und taten das auch länger als die Mäuse, die längeren Tagen ausgesetzt waren. Aber: „Das liegt daran, dass die Tiere nachtaktiv sind“, erklärt Porcu.

Bei Menschen sei das natürlich genau umgekehrt: Sie sind an längeren Tagen aktiver. Dennoch gebe die Untersuchung einige neue Einblicke in die grundlegenden Mechanismen, die auf unterschiedlich lange Tageslichtrhythmen reagieren. Porcu: „Wir wissen bereits aus vielen früheren Untersuchungen, dass Mäuse und Menschen auf molekularer Ebene sehr ähnlich auf bestimmte Einflüsse reagieren.“ Daher sei es auch möglich, Vermutungen und Hypothesen über Menschen anzustellen, die aber noch weitere Forschungsarbeit benötigen, um sie endgültig zu bestätigen.

Medizinische Fortschritte möglich

Fortschritte könnten die Ergebnisse der Mäusestudie auch im Bereich der Medizin bringen. Es gibt einige Erkrankungen und medizinischen Probleme, die mit dem Tageslichtrhythmus zusammenhängen – zum Beispiel saisonale affektive Störungen, auch bekannt als „Winterdepression“.

Auch Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen hängen mit der Menge an täglichem Tageslicht zusammen. Die von den Forscherinnen und Forschern untersuchten Hirnregionen und Peptide seien daher vielversprechende Ziele, um medizinische Behandlungsmethoden und Arzneien künftig zu verbessern.

In weiteren Untersuchungen möchte Porcu außerdem herausfinden, wie sich Tageslicht auf andere Bereiche des Gehirns auswirkt – etwa jene, die für Angstzustände oder das Gedächtnis verantwortlich sind.