Stieler, Joseph Karl: Beethoven mit der Missa solemnis Ölgemälde, 1819
Beethoven Haus Bonn, beethov@issay.com
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Erbgut

Haaranalysen beleuchten Beethovens Gesundheitszustand

Ludwig van Beethoven hatte ein erhöhtes Risiko für Lebererkrankungen. Verbunden mit seinem Alkoholkonsum und einer Hepatitis-B-Infektion könnte das zum Tod des berühmten Komponisten geführt haben. Das zeigt eine Analyse von Beethovens Erbgut, das anhand von Haarlocken nun erstmals entschlüsselt wurde.

Es war Beethovens eigener Wunsch, seine Krankheitsgeschichte nach seinem Ableben im Jahr 1827 zu veröffentlichen. Damit wollte er die Menschen über seine Taubheit und seine anderen gesundheitlichen Beschwerden informieren. Den Wunsch teilte der berühmte Komponist seinem Bruder in einem Brief mit, den er während eines Kuraufenthalts im Jahr 1802 schrieb. „Damit wenigstens so viel als möglich die Welt nach meinem Tode mit mir versöhnt werde…“, heißt es darin.

Genom erstmals entschlüsselt

Mehr als zwei Jahrhunderte später haben es Forscherinnen und Forscher nun erstmals geschafft, Beethovens Erbgut komplett zu entschlüsseln. „Die Technik in diesem Bereich hat sich in den letzten Jahren extrem verbessert. Daher war es erst jetzt möglich, das Genom vollständig zu rekonstruieren“, erklärt der Anthropologe und Archäogenetiker Johannes Krause gegenüber science.ORF.at.

Analyse von Beethovens Haar

Krause ist der Direktor des Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig und er war Teil des internationalen Forschungsteams, das Beethovens Genom nun erstmals entschlüsselt hat. Gelungen ist das mithilfe von Haarlocken, die laut den Forscherinnen und Forschern mit „ziemlicher Sicherheit“ vom berühmten Komponisten stammen.

die Stumpff Locke, eine der untersuchten Locken von Beethoven
Kevin Brown
Die Stumpff-Locke, eine der untersuchten Locken von Beethoven

Anfangs untersuchte das Team insgesamt acht Haarsträhnen. Nach kurzer Zeit stellte sich aber heraus, dass nur fünf davon tatsächlich von Beethoven stammen konnten. Die DNA dieser Haare wurde von dem Team einer einzigen Person zugeordnet. Eine der Haarlocken wurde sogar noch von Beethoven selbst per Brief versandt – samt beiliegendem Text: „Das sind meine Haare“. Eine andere Locke war so gut erhalten, dass das Forschungsteam daraus das Erbgut des Komponisten rekonstruieren konnte.

Taubheit weiterhin ein Rätsel

Die Forscherinnen und Forscher präsentieren die internationale Studie aktuell im Fachjournal „Current Biology“. Ihr grundsätzliches Ziel war es, neue Erkenntnisse über Beethovens Gesundheitsprobleme zu erlangen. Dazu zählte bekanntermaßen ein fortschreitender Hörverlust, der bei Beethoven bereits im Alter von etwa 25 bis 29 Jahren einsetzte und schließlich dazu führte, dass der Komponist im Jahr 1818 de facto taub war.

Danhauser, Joseph: Beethoven auf dem Sterbebett – Lithographie nach einer eigenen Zeichnung, um 1827
Beethoven Haus Bonn, beethov@issay.com
Beethoven auf dem Sterbebett – Lithographie von Joseph Danhauser, um 1827

Anhand seiner genetischen Veranlagung kann Beethovens Hörverlust jedoch nicht erklärt werden, heißt es in der Studie. Das Forschungsteam fand im Erbgut keine konkreten Gründe für die Taubheit des Komponisten. Bei der Schwerhörigkeit stellt sich allerdings die Frage, ob die aktuelle Wissenschaft bereits ausreicht, um ein solches Risiko zweifelsfrei bestätigen oder verneinen zu können. "Obwohl keine eindeutige genetische Ursache für Beethovens Schwerhörigkeit identifiziert werden konnte, kann man eine solche auch nicht völlig ausschließen“, meint etwa Axel Schmidt vom Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Bonn. Demnach sei es durchaus möglich, dass Beethovens Genom in Zukunft noch Hinweise auf den Ursprung seiner Schwerhörigkeit liefert.

Hepatitis-B und Risiko für Lebererkrankungen

Beethoven hatte aber nicht nur mit seiner fortschreitenden Taubheit zu kämpfen. In seinen Haaren fanden die Forscherinnen und Forscher unter anderem auch Hinweise auf eine Infektion mit Hepatitis-B, die Beethovens Gesundheitszustand in seinen letzten Lebensjahren wahrscheinlich deutlich beeinträchtigte.

Beethoven hatte außerdem ein genetisch größeres Risiko, an der Leber zu erkranken. „Wir können nicht mit Sicherheit sagen, woran Beethoven gestorben ist, aber wir können jetzt zumindest das Vorhandensein eines erblichen Risikos für eine Leberzirrhose und eine Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus belegen“, so Krause.

Verbunden mit seinem wahrscheinlich erheblichen Alkoholkonsum, auf den Beethoven zum Teil auch selbst in seinen „Konversationsheften“ hinweist, wurde das dem Komponisten eventuell zum Verhängnis. „Diese Kombination aus Alkohol, der Veranlagung zur Leberzirrhose und der Hepatitis-B-Infektion könnte durchaus verantwortlich für Beethovens Tod sein“, so Krause.

“Hiller-Locke“ nicht von Beethoven

Seit längerem wird vermutet, dass Beethoven auch an einer Bleivergiftung gelitten hat. Diese Annahme konnte das Forschungsteam nun aber entkräften. Die sogenannte "Hiller-Locke“, die als bisheriger Beweis für eine derartige Vergiftung galt und die der deutsche Musiker Ferdinand Hiller unmittelbar nach Beethovens Tod abgeschnitten haben soll, stammt laut den neuen Erkenntnissen nicht vom Komponisten.

Die Hiller-Locke stammt nicht von Beethoven, wie das Team nun nachweisen konnte
Ira F. Brilliant Center for Beethoven Studies, San Jose State University. Photo by William Meredith.
Die Hiller-Locke stammt nicht von Beethoven, wie das Team nun nachweisen konnte

„Wir haben die ‚Hiller-Locke‘ untersucht, haben aber herausgefunden, dass sie von einer Frau jüdischer Herkunft stammt – also das Haar ist sicher nicht von Ludwig van Beethoven“, erklärt Krause. Komplett ausgeschlossen sei eine Bleivergiftung jedoch dennoch nicht, weitere Analysen der authentifizierten Haarlocken wären nötig, um das eindeutig zu klären.

Familiengeschichte mit Seitensprung

Im Rahmen der Untersuchung verglichen die Forscherinnen und Forscher das Erbgut von Beethoven auch mit seinen noch lebenden Verwandten. Dabei zeigte sich, dass Beethovens Abstammungslinie nicht ganz so gerade verlief, wie bisher angenommen.

Irgendwann zwischen 1572 und der Zeugung von Ludwig van Beethoven sieben Generationen später soll es demnach ein Kind aus einer außerehelichen Beziehung in Beethovens direkter väterlicher Abstammungslinie gegeben haben. Der Seitensprung erkläre auch, warum Beethovens Y-Chromosom nicht mit dem seiner noch lebenden Verwandten übereinstimmt. Wann es jedoch genau dazu kam, ist unklar. „Da kann man aktuell nur spekulieren. Wir können derzeit nicht genau sagen, ob es sein Vater, der Großvater oder gar sein Ur-Ur-Urgroßvater war“, so Krause.

Die Forscherinnen und Forscher stellen Beethovens Genom für wissenschaftliche Zwecke frei zur Verfügung. Sie hoffen, damit weitere Forschungsteams zu motivieren, künftig noch mehr über Beethovens Gesundheits- und Familiengeschichte in Erfahrung zu bringen.