Gorilla Baby auf seiner Mutter
AFP/DOUGLAS MAGNO
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Evolution

Affen sehen die Welt anders als Menschen

Vor rund 25 Millionen Jahren haben sich die entwicklungsgeschichtlichen Wege der Vorfahren des modernen Menschen und der Affen getrennt. Das wirkte sich auch auf die Sehfähigkeit aus: Affen sehen die Welt laut einer neuen Studie tatsächlich etwas anders als Menschen.

Für die kürzlich im Fachblatt „PNAS“ erschienene Studie hat ein internationales Forschungsteam, zu dem auch Andreas Pollreisz von der Medizinuni Wien gehörte, die Nervenzellen der Netzhaut und deren Verschaltungen genau unter die Lupe genommen. Die Frage war, inwieweit sich die Strukturen seit der Abspaltung der Arten verschieden entwickelt haben und wie sich etwaige Unterschiede auf das Farbsehen auswirken könnten.

Zapfen untersucht

Mit einer neuen dreidimensionalen Elektronenmikroskopie-Technik untersuchten die Forscherinnen und Forscher die retinale Konnektomik, also die feinen Nervenverschaltungen der Netzhaut. Sie konzentrierten sich auf jene Region der Retina, die bei Primaten für das scharfe Sehen verantwortlich ist – die Sehgrube oder Fovea centralis. Dort finden sich Sehzellen vom Typ der Zapfen. Sie sind für das Farbsehen verantwortlich, während die Stäbchen-Sehzellen für das Hell-Dunkel-Sehen zuständig sind.

Unter den Zapfen gibt es wiederum verschiedene Typen, die jeweils auf verschiedene Wellenlängen des Lichts reagieren. So sind die S-Zapfen vor allem für das Sehen im blau-violetten Bereich zuständig. M-Zapfen fungieren als Rezeptor für grün und mehr oder weniger benachbarte Wellenlängen im Spektrum von bläulich bis orange. Die L-Zapfen sind vor allem für den roten Bereich zuständig. Die Farbwahrnehmung wird über Nervenzell-Schaltkreise ermöglicht, die die komplexen Informationen der unterschiedlichen Zapfen-Typen bündeln.

Mehr Blautöne bei Menschen

Auf diese Schaltkreise konzentrierten sich die Fachleute in ihrer Untersuchung – und fanden auch tatsächlich Unterschiede zwischen den Spezies: Demnach fehlt bei Affen eine Art der Nervenzellverschaltung, die vor allem mit der Verarbeitung von Blautönen in Zusammenhang steht, heißt es in der Arbeit. Das dürfte Menschen das Sehen einer größeren Blauton-Bandbreite erlauben.

Das zeige, dass die menschliche Netzhaut in ihrer Feinstruktur einzigartig aufgebaut ist und dementsprechend auch ein ausgeprägteres Wahrnehmungsvermögen erlaubt. Denkbar sei, dass die abweichende Art der Verschaltung beim Menschen eine Anpassung an das Leben zu ebener Erde anstatt auf Bäumen ist, meinen die Fachleute.

Die in der Studie angewendete neue Methode, um neuronale Schaltkreise dreidimensional darzustellen, könne künftig dabei helfen, viele weitere Fragen zu beantworten. So etwa wie die Evolution das Nervensystem des Menschen hinsichtlich unserer einzigartigen Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen verändert hat, erklärte Pollreisz.