Stammzellen

Embryomodelle künstlich hergestellt

Ein Forschungsteam hat nach eigenen Angaben künstliche menschliche Embryonen mit Hilfe von Stammzellen geschaffen. Das berichtet der britische „Guardian“. Die im Labor komplett ohne Ei- und Samenzellen hergestellten Strukturen werfen ethische und rechtliche Fragen auf, da sie nicht unter die geltenden Rechtsvorschriften vieler Länder fallen.

Die Arbeit wurde laut „Guardian“ am Mittwoch in einem Plenarvortrag auf der Jahrestagung der International Society for Stem Cell Research in Boston erstmals erwähnt. Die künstlichen Embryomodelle, die Embryonen in den frühesten Stadien der menschlichen Entwicklung bis zum 14. Tag ähneln sollen, könnten nach Ansicht des Teams um die Entwicklungsbiologin Magdalena Zernicka-Goetz einen entscheidenden Einblick in die Auswirkungen genetischer Störungen und die biologischen Ursachen wiederholter Fehlgeburten geben, heißt es.

Dem Team von Zernicka-Goertz sowie einer konkurrierenden Gruppe am Weizmann-Institut in Israel war es Ende des vergangenen Jahres bereits gelungen, künstliche Mausembryonen aus Stammzellen zu erschaffen. Seitdem ist ein Wettlauf um die Übertragung dieser Arbeit auf menschliche Modelle im Gange.

Offene ethische und rechtliche Fragen

Die nun offenbar auf der Konferenz angesprochene Arbeit wirft ernste ethische und rechtliche Fragen auf, da die im Labor gezüchteten Embryomodelle nicht unter die geltenden Rechtsvorschriften vieler Länder fallen. So ist es vielerorts verboten, menschlichen Embryonen über 14 Tage hinaus im Labor zu kultivieren. Die Richtlinien orientieren sich maßgeblich an einer Leitlinie der Internationalen Gesellschaft für Stammzellforschung (ISSCR) aus dem Jahr 2016.

Demnach galt das Überschreiten der 14-Tage-Regel als „unzulässige Forschungsaktivität“ („prohibited activities“). 2021 passte der ISSCR seine internationalen Leitlinien jedoch an: Durch künstliche Befruchtung oder aus menschlichen Stammzellen hergestellte menschliche Embryonen sollten künftig länger als die bisher maximal gängigen 14 Tage im Labor heranwachsen dürfen. Forscherinnen und Forscher sollten die Embryonen so lange im Labor kultivieren können, wie es dem jeweiligen Forschungszweck dient – allerdings nur nach strenger Prüfung.

Weder schlagendes Herz noch Gehirn

Die nun in Boston kurz angesprochenen embryonalen Strukturen haben offenbar weder ein schlagendes Herz noch die Anfänge eines Gehirns, enthalten aber Zellen, aus denen sich normalerweise die Plazenta, der Dottersack, Vorläuferzellen der Keimzellen und der Embryo selbst bilden würden.

Eine wichtige Frage ist, ob die embryonalen Strukturen theoretisch das Potenzial haben, die Organbildung anzustoßen. Eine Übertragung der synthetischen Embryonen auf eine Frau zur Etablierung einer Schwangerschaft ist weltweit laut den aktuellen Richtlinien der ISSCR untersagt. Laut dem Bericht im „Guardian“ beschrieb Zernicka-Goetz, wie die sich allein aus Stammzellen entwickelnden synthetischen Embryonen bis zu einem Stadium kultiviert wurden, das knapp über das 14-tägige Entwicklungsstadium eines natürlichen Embryos hinausgeht.

Fachleute zurückhaltend

Eine offizielle wissenschaftliche Publikation gibt es bisher nicht. Nicht zuletzt deshalb äußerten sich Expertinnen und Experten bisher sehr zurückhaltend. Der Bericht deute darauf hin, „dass es nun einen Beweis dafür gibt, dass menschliche embryonale Stammzellen potenziell zu Embryonen werden können“, so die Genomforscherin Ildem Akerman von der Universität Birmingham. „Die Fähigkeit, etwas tun zu können, rechtfertige aber nicht, es auch zu tun.“ Ethische Rahmenbedingungen sollten geschaffen und eingehalten werden, so Akerman, zudem gebe es viele ethische Fragen, die diskutiert werden müssen.